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Die traut sich was. Sandra Hübner stellt ihre „Todsünden“ am Wochenende in der Martin-Luther-Kirche Neukölln aus.

© Georg Moritz

48 Stunden Neukölln in Berlin: Pralle Sünde in der Kirche

Zwei Jahre lang hat sie Absagen bekommen, nun darf Sandra Hübner ihre freizügigen Bilder doch zeigen – und zwar in einer Kirche. Das passt zum diesjährigen Motto des Festivals "48 Stunden Neukölln".

Von Susanne Leimstoll

Kaum hält sie den Schlüssel zur Kirche in der Hand, hat sie sündige Gedanken. „Abgefahren. Was für Möglichkeiten! Endlich mal nachts in die Orgel hauen ...“, schreibt Sandra Hübner auf Facebook. Passt zu ihrem Image: diese Frau, eine einzige Zumutung! Eine Malerin, die auf die Idee kommt, sieben großformatige Ölgemälde, die dicke Frauen in provokanten Posen zeigen, in einem Gotteshaus präsentieren zu wollen! „Die sieben Todsünden“ in einer Kirche! Mit ihrer Anfrage hat sie die Pfarrer diverser Berliner Kirchengemeinden in Verdrückung gebracht. Eine Absage nach der anderen bekam sie, zwei Jahre lang. Nun hat die Sünde gesiegt.

Im Rahmen des Kunstfestivals „48 Stunden Neukölln“ darf Sandra Hübner die pralle Fülle ihrer Rubensweiber in der Martin-Luther-Kirche Neukölln zeigen. Pfarrer Alexander Papst, 35, hat ihr für den Aufbau den Schlüssel überlassen. Ihm gefällt besonders die Ironie, die aus den Bildern spricht. Und so viel Mut passt auch zum Festival-Motto: Courage.

Personifizierte Todsünden

Wer Sandra Hübners personifizierte Todsünden betrachtet, kann gleich eigene Vorurteile bekämpfen. Stehen dicke Frauen nicht für die Sünde? Verfressen, missmutig, träge, wollüstig, neidisch ... Sandra Hübner fragt eher: „Was wäre das Dasein ohne die lässlichen Laster?“ Ihr weiblicher Hochmut spießt, zum Platzen drall in grünem Satin, mit dem Schlangenleder-Pumps den Paradiesapfel auf. Ihr roter Neid blickt traurig auf die schwebenden Quallen im Aquarium. Frau Zorn stopft ihr Brautkleid in die BSR-Tonne. Die Trägheit zeigt nackt ihre Speckrollen – schlummernd nach einem Schäferstündchen.

Der Geiz, die hübsche, nägellackierende Schlampe vorm Fernseher, findet Geiz nicht geil. Die Völlerei hockt mit Boxhandschuhen vor dem Hummer, als würde sie sich für ihre Gefräßigkeit am liebsten eine reinhauen und Hübners Wollust erlebt als Schwergewichtige die Leichtigkeit des Seins auf einer Schaukel.

Scheinbar nichts für die Katholiken

Die Bilder, 1,60 mal 1,20 Meter groß, hauen den Betrachter um mit trotzigem Selbstbewusstsein. Da kniffen selbst „Kunstkirchen“, die sonst Ausstellungen zeigen. Hübner erzählt, ein Gemeindekirchenrat beschloss, „die Bilder seien den Kirchgängern nicht zuzumuten“. Katholische Kirchen hätten plötzlich „keine Ausstellungsflächen“ gehabt. Ein Charlottenburger Pfarrer konnte sich „gegen eine ängstliche Mehrheit nicht wehren“.

Nun kann Sandra Hübner ihre fülligen Frauen zeigen – in der weltoffenen Martin-Luther-Kirche, auf deren provokantem Altarbild ein Teufel frech hinterm Strauch hervorblinzelt. Und der Musiker Thomas Papst spielt zu den sündigen Bildern sündhafte Lieder.

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