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Berlin: 50 000 mal die Stones im Haus

Für alternde Rockstars wie Bob Dylan, die auch im Seniorenalter noch eine Tour nach der anderen geben, hat Bill Wyman (66) kein Verständnis. „Haben die kein Leben, keine Familie?

Für alternde Rockstars wie Bob Dylan, die auch im Seniorenalter noch eine Tour nach der anderen geben, hat Bill Wyman (66) kein Verständnis. „Haben die kein Leben, keine Familie?“ fragt der ehemalige Bassist der Rolling Stones und schüttelt sein zotteliges, braunes Haar, das ihm fast bis in die Augen hängt. Dann schiebt er sich eine Portion LachsTatar auf die Gabel, guckt den britischen Botschafter Paul Lever (58) neben sich am Mittagstisch ernst an und sagt: „Manche Leute brauchen den Applaus, die Öffentlichkeit – ich nicht mehr!“ Und tatsächlich: Der Rockstar im Ruhestand, der 1992 bei den Stones ausstieg, um sich um seine Frau und die in den Folgejahren geborenen Kinder zu kümmern, sieht beim privaten Lunch mit Sir Paul so entspannt und zufrieden aus, wie man es einem Ruheständler nur wünschen kann. Dabei ist Wymans Leben zumindest in diesen Tagen alles andere als ruhig. Seinen idyllischen Familiensitz in Sussex hat er für sieben Wochen verlassen, um mit Co-Autor Richard Havers seine voluminöse Autobiographie vorzustellen, die kürzlich als „Bill Wymans Rolling Stones Story“ in Deutschland erschien. „Das ist fast so anstrengend wie damals“, sagt Wyman und spießt sich ein Stück Perlhuhnbrust auf. Man merkt, wie froh er ist, dass die ruhelosen Zeiten des ewigen Herumtourens vorbei sind. Obwohl er doch ein wenig sentimental wirkt, als er mit Sir Paul ins Plaudern über die 60er Jahre kommt, die für beide prägend waren. Wyman erinnert sich an jeden Gig: „1964 haben Sie uns gesehen, als wir in der Londoner Uni mit Freddy and the Dreamers zusammen spielten?“ fragt er den Botschafter. Dann spult er die Informationen ab: „Das muss am 20. Juni gewesen sein, ich habe zwei Programme aufbewahrt. 100 Pfund haben wir damals bekommen, ich erinnere mich genau.“ Wyman ist ein akribischer Verwalter der Bandgeschichte, hat jedes noch so kleine Souvenir gesammelt und jede Anekdote in seinem Tagebuch festgehalten. 50 000 Souvenirs bewahrt er alleine in seinem Landhaus auf, verrät er dem Botschafter, sieben Millionen Worte umfassen im heimischen Computer seine Erinnerungen. Nur etwa 3,5 Prozent davon sind in das Buch eingeflossen, erzählt er und lässt sich dann genüsslich das Nusseis auf der Zunge zergehen. Zahllose Geschichten hat er bislang nur in seinem Kopf gespeichert. Wie die von Drummer Charlie Watts: Der liebt historische Sportwagen und setzt sich manchmal in voller Montur samt Fliegerbrille in seinen Flitzer – ohne je die Garage zu verlassen, weil er keinen Führerschein hat. Stoff für viele weitere Stones-Bücher. lvt

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