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Luther auf dem Backblech. Zum Reformationsjubiläum gibt's auch eine Ausstechform.

© Sigrid Kneist

500 Jahre Reformation: Luther ist in Berlin allgegenwärtig

Heute wird der 500. Jahrestag der Reformation gefeiert. In der Hauptstadt ist Martin Luther oft zu finden – auf Straßenschildern, in Kirchennamen und sogar als Keks.

Bei diesem Luther ist wirklich alles in Butter. Man nehme davon 200 Gramm, aber weiche, dazu 125 Gramm Zucker, ein Ei, einen Beutel Vanillezucker und verquirle alles mit dem Mixer. Nun rühre man 400 Gramm Mehl darunter, knete den Teig – na, und so weiter. Entscheidend ist hier ja nicht das Rezept, sondern die Form, mit der die so entstandene Masse ausgestochen wird, auf dass bei hinreichender Hitze Plätzchen entstehen. Luther-Plätzchen wohlgemerkt, der als Silhouette noch ganz gut erkennbare, dazu verzehrbare Kopf des Reformators, wobei sein Barett die Identifizierung schon erleichtert.

Einige Zeit vor dem Jubiläumsjahr, aber schon mit Blick darauf hat Philipp Berief den Luther-Kopf ins Sortiment seiner Berliner Firma phil goods übernommen, wo er sich als Ausstechform in Gesellschaft von Berühmtheiten wie Mozart, Goethe, dem Alten Fritz und Angela Merkel befindet. Übrigens sei der Reformator ein Hybrid, wie sein Schöpfer verrät: Um die Form zu kreieren, hat er für den Kopf auf das Internet-Foto einer Luther-Medaille zurückgegriffen, für die charakteristische Kappe aber auf ein Cranach-Gemälde.

Luther auf den Straßen

Ja, an Luther kommt man derzeit nicht mal in der Küche vorbei, schon gar nicht in Berlin, wo man im Stadtbild immer wieder auf diesen Namen und mehr stößt. Die Martin-Luther-Straße gibt es doppelt, in Schöneberg und Hermsdorf, die Lutherstraße, einst sogar zehnfach vorhanden, existiert immerhin noch in sechsfacher Ausführung, in Mahlsdorf, Rahnsdorf, Niederschönhausen, Steglitz, Lichtenrade und auch in Spandau, wo sie zum Lutherplatz führt.

Luther-Streetstyle: eine der Martin-Luther-Straßen in Berlin
Luther-Streetstyle: eine der Martin-Luther-Straßen in Berlin

© Kitty Kleist-Heinrich/ Kai Uwe Heinrich

Auch die Eisenacher Straße und die Wartburgstraße in Schöneberg haben einen Bezug zu Luther, ebenso die Marburger Straße und die Eislebener Straße in Charlottenburg: In der hessischen Stadt fand 1529 das Marburger Religionsgespräch zwischen Lutheranern und Reformierten statt, darunter Luther selbst und Zwingli. In Eisleben, heute Sachsen-Anhalt, wurde Luther 1483 geboren, und dort ist er 1546 auch gestorben. All diese Straßen haben ihre Namen Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts bekommen, die Lutherbrücke beispielsweise, die sich am Schloss Bellevue über die Spree schwingt, heißt seit 1893 so.

Die Lutherbrücke in Tiergarten
Die Lutherbrücke in Tiergarten

© Kai-Uwe Heinrich, Kitty Kleist-Heinrich

Da hatte die Steglitzer Luthereiche schon zehn neue Jahresringe angesetzt, seit sie am 10. November 1883, am 400. Geburtstag des Reformators, in der Schloßstraße 44 gepflanzt und mit einem Gedenkstein versehen worden war. Nicht nur damals wurden in Deutschland zahlreiche dieser grünen Denkmäler gepflanzt, eine zweite findet man in Johannisthal am Segelfliegerdamm/Ecke Trützschlerstraße. Diese Tradition begann mit der Luthereiche in Wittenberg, die an derselben Stelle stehen soll, an der der Reformator am 10. Dezember 1520 die päpstliche Bulle zur Androhung des Kirchenbanns verbrannt hatte.

Lutherkirchen und -gemeinden

Auch evangelische Kirchen und Gemeinden wurden in Berlin oft nach dem Mann der 95 Thesen benannt, gern in Kombination wie in der Spandauer Neustadt, wo man angesichts von Lutherstraße,- platz, -kirche und -gemeinde geradezu von einem Luther-Quartett sprechen kann. An Luther erinnern außerdem nach ihm benannte Kirchen und/oder Gemeinden in Neukölln, Lichterfelde, Mariendorf, Alt-Reinickendorf, Wilhelmsruh, Pankow und gleich zweifach in Schöneberg.

Die Lutherkirche in Wilhelmsruh hat neben dem Namen auch eine Statue des Namensgebers zu bieten, die Martin-Luther-Gedächtniskirche, gebaut 1933 bis 1935, leider einige Figuren und Symbole im Stile der NS-Zeit. Die Martin-Luther-Kirche in Gesundbrunnen hingegen, nach dem Mauerbau für den West-Berliner Teil der in Pankow ansässigen Martin-Luther-Gemeinde errichtet, wurde 2004 abgerissen.

Verschwunden ist auch das Luther-Medaillon zur Rechten der Figur von Joachim II. in der Siegesallee, während das steinerne Abbild des Kurfürsten selbst, unter dessen Regentschaft 1539 in Brandenburg die Reformation eingeführt wurde, seinen Kopf verloren hat. Die Reste der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Figurengruppe sind auf der Spandauer Zitadelle ausgestellt.

Eine herrisch wirkende Luther-Figur

Ebenfalls dem Krieg sind große Teile des Luther-Denkmals nahe der Marienkirche in Mitte zum Opfer gefallen, allerdings nicht durch feindliche Bomben und Granaten, sondern weil man die Nebenfiguren eingeschmolzen und zu eigenen Bomben und Granaten umgeformt hatte. Die 1895 eingeweihte Anlage war von dem Bildhauer Paul Otto entworfen und nach dessen Tod von seinem Kollegen Robert Toberentz vollendet worden: Auf einem abgestuften Postament war ein Figurenensemble mit dem herrisch wirkenden Luther als Mittelpunkt versammelt worden, der Reformator umgeben von sechs Getreuen wie Philipp Melanchthon und bewacht von den Rittern Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen.

Luther-Denkmal an der Marienkirche in Mitte
Luther-Denkmal an der Marienkirche in Mitte

© Kai-Uwe Heinrich, Kitty Kleist-Heinrich

Der bronzene Luther war nach dem Krieg zunächst in der Weißenseer Stephanus-Stiftung und im Oktober 1989 an der Nordseite der Marienkirche aufgestellt worden. Mittlerweile findet man ihn am originalen Standort an der Karl-Liebknecht-Straße auf einem schlichten Podest, die Umrisse der alten Anlage wurden rot markiert. Als das Umfeld der Marienkirche umgestaltet wurde, war die Statue eine Zeit lang im Depot verschwunden, kehrte erst vor wenigen Monaten mit Blick aufs Reformationsjubiläum ins Stadtbild zurück, ist aber bis auf Weiteres ein Provisorium.

Neues Luther-Denkmal für Berlin

Schon vor knapp einem Jahr war ein Ideenwettbewerb für ein neues Luther-Denkmal entschieden worden, dessen Realisierung aber angesichts der Berlin-typischen Verzögerungen bei solchen Projekten bis zum 31. Oktober kaum noch zu schaffen ist, obwohl Berthold Höcker, Superintendent des Kirchenkreises Berlin Stadtmitte, die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hat. Derzeit versuche man, die verschiedenen beteiligten Senatsverwaltungen zusammenzubringen, um sich über das weitere Vorgehen abzustimmen.

Der Siegerentwurf des Berliner Künstlers Albert Weis, der sich dafür mit dem deutsch-mexikanischen Architektenbüro Zeller & Moye zusammengetan hatte, war gerade in Kirchenkreisen auch auf Kritik gestoßen. Der bislang mit reichlich Patina bedeckte, noch zu restaurierende Reformator erhält demnach ein chromglänzendes Duplikat, soll gleichsam „über die gespiegelte Skulptur in einen Dialog mit sich selbst“ treten, wie Weis, Zeller und Moye erläuterten. Das „Reflexive“ stehe dann der „einseitigen Heroisierung“ gegenüber. Auch soll Luther neue Begleiter wie Dietrich Bonhoeffer und Martin Luther King erhalten, freilich nicht mehr als bronzene Gesellen, sondern in Form von Zitaten, die sich auf dem Boden der Anlage als Leuchtschrift abwechseln.

Lebende Nachkommen

Doch gibt es Luther in Berlin keineswegs nur als Straßenname oder in Bronze gegossen, sondern sogar leibhaftig. Zwar ist Peter Luther kein gebürtiger Berliner, aber mit dem hiesigen Medizin- und Politikbetrieb eng verbunden, als ehemaliger Direktor des Forschungsinstitutes für Lungenkrankheiten und Tuberkulose in Buch, als langjähriger früherer CDU-Abgeordneter aus Pankow und von 1991 bis 1996 als Senator für Gesundheit.

Der 75-Jährige heißt nicht nur Luther, er ist ein echter. Der Stammbaum seiner Familie reicht bis zu Ritter Wiegand von Luther Anfang des 14. Jahrhunderts zurück. Der Reformator und dessen jüngerer Bruder Jakob gehörten in der Familienchronik der siebten Generation an, Peter Luther hingegen ist in 14. Generation ein Nachfahre Jakobs. Doch auch Martin ist ihm nicht fremd, seit er den Reformator 2007 beim Wittenberger Volksfest „Luthers Hochzeit“ drei Tage lang spielte.

Und auch auf der Website des CDU-Politikers ist eine gewisse Nähe zu seinem berühmten Vorfahren nicht zu leugnen, es liegt wohl in der Familie. Denn was findet sich dort als politisches Bekenntnis? Jede Menge „Thesen“.

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