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Zum 500. Reformationsjubiläum ist der 31. Oktober in diesem Jahr ein bundesweiter Feiertag.

© Jens Kalaene/dpa-

500. Jubiläum: So wird der Reformationstag in Berlin

Erstmals haben auch die Berliner am 31. Oktober frei. Bleibt die Shopping-Invasion aus Brandenburg jetzt aus? Dank Brückentag wohl eher nicht.

Mensch, Martin! Das gab’s in Berlin in den vergangenen Jahrzehnten noch nie. Keine Shopping-Invasion aus Brandenburg, keine Karawanen märkischer Einkaufsbummler am Ku’damm oder Alex zum Reformationstag. Der fromme Aufruhr des Augustinermönchs Martin Luther im Oktober 1517 war für Berlins Kaufhäuser und Läden bis dato ja immer ein gutes, verlässliches Geschäft. Aber diesmal gönnt sich ganz Deutschland am kommenden Dienstag, dem 31, Oktober, zum Reformationsjubiläum einen Extra-Feiertag.

Also haben auch die Berliner dank Bruder Martin frei. Alle Läden bleiben zu, weil Luther vor 500 Jahren seine revolutionären Glaubensthesen gegen den katholischen Klerus, dessen Ablasshandel, Prunksucht, Raffgier und den Alleinvertretungsanspruch auf Erden veröffentlichte.

Einmaliger Feiertag

Klar, dass die Evangelische Kirche schon vor etlichen Jahren vorschlug, diese Revolte anlässlich des Jubiläums bundesweit zu feiern. Ihr gehören zwar nur etwa 27 Prozent der deutschen Bevölkerung an, doch diesmal geht es ja um ein historisches Datum, das alle betrifft. Schließlich lösten Luthers Thesen nicht nur religiöse Umbrüche aus, sondern auch einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel.

Die Idee des nationalen Feiertages kam überall gut an. Nach und nach erließen alle Bundesländer, in denen normalerweise zum Reformationsgedenken nicht alle Räder stillstehen, Verordnungen, die das einmalig für 2017 änderten. Und nun freut sich ganz Deutschland.

Doch auf wen geht der Gedanke, den Menschen zur Erinnerung an Luthers Aufbegehren einen arbeitsfreien Tag zu bescheren, überhaupt zurück? Da muss man den sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen nennen. Der setzte ab 1667 – also 150 Jahre nach der Reformation - den 31. Oktober erstmals als Gedenktag fest. Sogar in der atheistischen DDR ruhte bis 1966 am letzten Oktobertag dank Luther landesweit die Arbeit.

Und nach der Wende blieb diese ostdeutsche Tradition erhalten: Nur in den fünf überwiegend evangelischen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ist der Reformationstag seit 1990 ein offizieller Feiertag.

Berlin ist nicht dabei und wird wohl auch in den kommenden Jahren nicht dazugehören, obwohl in der Hauptstadt mehr als doppelt so viele Protestanten als Katholiken leben. Im Senat ist das aber kein Thema, „Dazu läuft nichts“, heißt es in der Senatskanzlei kurz und bündig.

Invasion der Kaufwütigen

In den vergangenen Jahren strömten vor allem die Brandenburger sowie Besucher aus Sachsen-Anhalt am 31. Oktober in Berlins Shopping-Center- und Straßen. Jetzt aber säuselt Dienstagvormittag in den hauptstädtischen Läden keine verkaufsfördernde Softmusik, stattdessen erklingt in den Kirchen bei zahlreichen Reformationsandachten- und Veranstaltungen Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ und „Nun freut euch, lieben Christen g’mein’“.

Frage an Phillip Haverkamp, Sprecher des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg: Ist das nicht jammerschade? Doch Haverkamp fürchtet keineswegs Umsatzeinbrüche. Er setzt auf den zusätzlichen Brückentag, den 30. Oktober.

Wer sich am Montag freinehmen könne, der habe ja von Samstag bis einschließlich Dienstag ein superlanges Wochenende. Das würden gewiss viele Touristen aus ganz Deutschland für eine Berlin-Visite inklusive Shopping nutzen, meint er. Mit der Folge, dass die Geschäfte besonders am Sonnabend, aber auch am Montag „vermutlich brummen werden“.

Sind zum Reformationsjubiläum tatsächlich mehr Berlin-Besucher in der Stadt? Die landeseigene Tourismuswerbegesellschaft visitBerlin geht davon aus, obwohl ihr keine aktuellen Zahlen vorliegen. „Aber Brückentage werden erfahrungsgemäß sehr gerne genutzt“, heißt es.

Konkreter wird der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin, Thomas Lengfelder. „Die Stadt ist sehr, sehr gut gebucht“, freut er sich. Rund 500 Hotels gebe es in Berlin, davon seien etwa 300 schon voll belegt.

Die Katholiken freut’s doppelt

Reformation hin oder her – unter den Touristen in Berlin werden auch jede Menge Katholiken sein. Denn besonders glücklich macht das Gedenken an Luthers Devise „Zurück zu den Glaubenswurzeln!“ die Bewohner all jener, vorrangig katholisch geprägten Bundesländer, in denen am 1. November auch Allerheiligen begangen wird – jener Feiertag, der vor Jahrhunderten eingeführt wurde, weil es schlichtweg irgendwann zu viele Heilige gab, um jedem einen eigenen Tag zu widmen.

Außer in Bayern wird Allerheiligen in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz und im Saarland gefeiert. Wer dort lebt, und das ist mehr als die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung, hat folglich – inklusive Brückentag – am Stück fünf arbeitsfreie Tage. Die Katholiken freut’s also doppelt. Rechnet man dann noch die geschenkte Stunde der Zeitumstellung von Samstag auf Sonntag hinzu, so ist der Freizeiteffekt kaum mehr zu schlagen.

Schlechte Karten haben nur jene Brandenburger, die am Montag keinen Brückentag nehmen dürfen und am 31. nun auch nicht shoppen gehen können. Ihr Trost: 2018 ist alles wieder wie gehabt. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes „YouGov“ im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur würden zwar mehr als 70 Prozent der Deutschen einen dauerhaften bundesweiten Reformationsfeiertag begrüßen, aber in dieser Richtung bewegt sich in der Politik und bei den Protestanten bisher nichts.

Halloween kann nicht schocken

Jetzt noch die Gretchen-Frage an die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz: Wie hält sie’s mit Halloween? Immerhin ziehen ja am Abend des letzten Oktobertages die Gruseltrupps durch Berlin und erinnern nach keltischem Brauch an die Geister der Toten, die einmal im Jahr auf Erden herumspuken. Passt das zum Reformationstag? In der Ekbo-Zentrale sieht man das ganz relaxed. Luthers Botschaft sei ja gerade die Zuversicht. „Es muss keine Seele mehr ängstlich herumspuken. Bei einem gütigen Gott sind alle Verstorbenen gut geborgen.“

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