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Gezückte Lippen: Der Bruderkuss zwischen dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow und dem Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honnecker am Vortag des 7. Oktobers 1989 in Ost-Berlin.

© dpa

7. Oktober 1989: Prince statt Bruderküsse

In Ost-Berlin verteilte Gorbatschow Schmatzer und mahnende Worte. Unser Kolumnist Andreas Conrad erinnert sich daran, dass auch der Westteil der Stadt die Ereignisse rund um den 40. Jahrestag der DDR sehr aufmerksam registrierte - und er denkt zurück an eine Batman-Party mit dem Sound von Prince.

Moskau war zu Besuch, hüben wie drüben. Im Ostteil der Stadt der Herr Gorbatschow, der Bruderküsse und mahnende Worte verteilte; im Westteil die Frau Antoschka, als weiblicher Clown eine der Hauptattraktionen des Moskauer Staatszirkus, dessen zehntägiges Gastspiel in der Deutschlandhalle ausgerechnet am 40. Jahrestag der DDR Premiere hatte. Wenn das kein Zeichen war...

Doch, doch, das Geschehen jenseits der Mauer wurde auch im Westen aufmerksam verfolgt, man nehme nur die Schlagzeilen und Überschriften damals im Tagesspiegel: „Gorbatschow wirbt in Ost-Berlin für Reformen“, „Tausende demonstrierten in der Ost-Berliner Innenstadt“ oder auch „Ost-Berliner Behörden wiesen erneut mehrere hundert Besucher zurück“. Aber der Alltag im Westen ging doch seinen geordneten Gang, von den Mühen, der steigenden Zahl von rübermachenden DDR-Bürgern Herr zu werden, mal abgesehen. Das Oskar-Helene-Heim in Zehlendorf feierte 75. Jubiläum. Der erste „Dienstleistungsabend“, eine frühe Aufweichung des rigiden Ladenschlussgesetzes, wurde recht gemischt bilanziert, und eine mögliche Erweiterung der Gedenkbibliothek samt Verengung oder gar Schließung der Blücherstraße diskutiert.

Den Sound zu all dem lieferte Prince, damals mit seinem „Batman“-Hit in den Discos allgegenwärtig. Klar, dass dazu auch eine „Batman-Party“ im alten Tempodrom-Zelt steigen musste, samt „Magic-Fireshow“ – ausgerechnet am Vorabend des DDR-Jubelfests. Das leuchtete über die Mauer herüber, groß war mit Lampen das Kürzel DDR auf das Internationale Handelszentrum geschrieben worden. Am Brandenburger Tor hatten Fernsehteams die Beobachtungsplattform geentert, die Objektive gen Osten gerichtet. Noch passierte hier nichts. Noch.

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