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Berlin: 700 Millionen fehlen – SPD drängt Schröder zu neuer Steuerpolitik Fraktionschef Müller: Mehr Geld können wir aus der Stadt nicht heraus pressen

Berlin gehen im laufenden Jahr 600 bis 700 Millionen Euro bei den Steuern und im Länderfinanzausgleich verloren. Angesichts dieser neuen Steuerschätzung hat der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Michael Müller, die Politik der Bundesregierung kritisiert.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin gehen im laufenden Jahr 600 bis 700 Millionen Euro bei den Steuern und im Länderfinanzausgleich verloren. Angesichts dieser neuen Steuerschätzung hat der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Michael Müller, die Politik der Bundesregierung kritisiert. „Eine vernünftige Wirtschaftspolitik wird dringend nötig“, sagte Müller dem Tagesspiegel. Die rot-grüne Koalition müsse bei der Steuer- und Mittelstandspolitik umsteuern. Zusätzliche finanzielle Belastungen der Bürger sowie der mittelständischen Unternehmen seien nicht mehr tragbar.

Müller bezog seine Kritik auch auf die drohende Anhebung der Renten- und Krankenversicherungsbeiträge. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der PDS, Stefan Liebich, forderte die Bundesregierung ebenfalls zu einer „am Gemeinwohl orientierten Steuerpolitik“ auf. Eine kommunale Steuerreform sei dringend notwendig. Liebich erneuerte die Forderung nach Einführung einer Vermögenssteuer und einer Reform der Erbschaft- und Körperschaftssteuer.

Während die Einnahmen aus Steuern und Finanzausgleich in diesem Jahr um 600 bis 700 Millionen Euro zurückgehen, rechnet Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) 2003 mit Einnahmeausfällen von „nur“ 200 Millionen Euro. Steigende Sozial- und Jugendhilfekosten, ausstehende Privatisierungserlöse und weitere Haushaltsrisiken reißen – allein im Landeshaushalt 2002 – insgesamt eine neue Finanzlücke von 1,2 Milliarden Euro auf. „Eine Horrorsumme, die wir aus der Stadt nicht zusätzlich herauspressen können“, sagte Müller. Die rot-rote Koalition werde bei der Sparpolitik zwar weiterhin „alles tun, was aus eigener Kraft machbar ist“, aber der Konsolidierungskurs müsse an die Realitäten angepasst und zeitlich gestreckt werden.

SPD und PDS hatten sich ursprünglich vorgenommen, die öffentlichen Ausgaben bis zum Ende der Wahlperiode um 2,7 Milliarden Euro zu kürzen. Das Ziel: die laufenden Ausgaben (ohne Zinsen) an die Einnahmen anzugleichen. Einschließlich der geplanten Personaleinsparungen im öffentlichen Dienst, der neuen Steuerausfälle und weiterer Finanzrisiken vergrößert sich das Einsparvolumen bis 2006 jetzt auf über vier Milliarden Mark. „Etliche Einsparungen und Einschnitte“ werde die rot-rote Koalition noch beschließen, kündigte Müller an. Aber „so ungeheuer hohe“ Einsparsummen seien nicht zu erwirtschaften.

Voraussichtlich am 19. November werden die Fraktions- und Parteispitzen von SPD und PDS gemeinsam mit dem Senat über die hoch dramatische Haushaltslage beraten. Der Senat soll nach dem Willen der Koalitionsfraktionen spätestens Mitte Januar den Entwurf für einen Nachtragshaushalt für 2003 vorlegen. Das Abgeordnetenhaus könnte den neuen Etat dann vor der Osterpause beschließen. Die Haushaltssperre soll anschließend aufgehoben werden. Die Klage beim Bundesverfassungsgericht, mit der Sanierungshilfen des Bundes und der Länder (40 Milliarden Euro) erzwungen werden sollen, hilft dem Land Berlin momentan nicht aus der Finanznot. Mit Zahlungen in den Landeshaushalt rechnet der Senat frühestens 2005, vielleicht erst 2008. Die Klage werde voraussichtlich im Februar 2003 in Karlsruhe eingereicht, kündigte Sarrazin am Mittwoch an.

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