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Berlin: 750 000 Mitgliedern der hoch verschuldeten Krankenkasse droht eine Beitragserhöhung

Heute Abend wird über das Schicksal der mit 1,2 Milliarden Mark Altschulden belasteten AOK Berlin entschieden: Wenn bei einer Krisensitzung beim Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen keine Landeshilfen zugesagt werden, müsste die mit rund 750 000 Mitgliedern größte Krankenkasse der Stadt ihren ohnehin hohen Beitragssatz von 14,9 Prozent auf mindestens 15,5 Prozent erhöhen und verlöre die Wettbewerbsfähigkeit. Alle Mitglieder haben beim Beitragssprung ein Sonderkündigungsrecht und könnten in andere Kassen wechseln, deren Beitragssätze zwischen 12 und 14 Prozent des monatlichen Bruttolohns liegen.

Heute Abend wird über das Schicksal der mit 1,2 Milliarden Mark Altschulden belasteten AOK Berlin entschieden: Wenn bei einer Krisensitzung beim Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen keine Landeshilfen zugesagt werden, müsste die mit rund 750 000 Mitgliedern größte Krankenkasse der Stadt ihren ohnehin hohen Beitragssatz von 14,9 Prozent auf mindestens 15,5 Prozent erhöhen und verlöre die Wettbewerbsfähigkeit. Alle Mitglieder haben beim Beitragssprung ein Sonderkündigungsrecht und könnten in andere Kassen wechseln, deren Beitragssätze zwischen 12 und 14 Prozent des monatlichen Bruttolohns liegen.

"Wenn die Politik sich nicht bewegt, ist die AOK am Ende", sagt der Grünen-Abgeordnete Bernd Köppl. Vorschläge wie die Schließung des Charité-Standorts in Mitte, womit sich Klinik-Chefmanager Bernhard Motzkus auf Druck der Kassen bereits seit langem beschäftigt, brächten keine schnelle Kostenentlastung und seien weder vernünftig noch politisch durchsetzbar, meint Köppl. Bei der Fusion des Weddinger Virchow-Klinikums mit der Charité in Mitte unter dem Traditionsnamen Charité sei politisch garantiert worden, beide Standorte zu erhalten. Im vom Senat bestellten Klinikgutachten von 1998 hatten Experten betont, dass für die Krankenversorgung keine drei Uniklinika (Charité-Mitte, Charité-Wedding und Benjamin Franklin Steglitz) nötig seien.

Spendierlaune erloschen

Reichere westdeutsche Ortskassen, die ihre Berliner Schwesterkasse seit 1995 mit insgesamt 1,4 Milliarden Nothilfe subventionierten, machen künftige Millionenspritzen vom Verhalten des Senats abhängig. Trotz der westdeutschen Kassenhilfe klaffe im Haushalt der AOK Berlin für das Jahr 2000 eine Lücke von rund 200 Millionen Mark. Diese Summe müsste das Land Berlin übernehmen. Die Spendierlaune der West-Kassen ist auch deswegen erloschen, weil etwa die gut situierte AOK Baden-Württemberg (Beitrag 13 Prozent) wegen gestiegender Ausgaben selbst über höhere Beiträge nachdenken muss. Allein 1999 bekam die AOK Berlin 310 Millionen Mark Zuschuss von der AOK-Familie, der Berliner Haushalt beträgt 1999 rund 5 Milliarden Mark.

Die AOK Berlin führt ihre Existenzkrise auf "politisches Versagen" der Landesregierung zurück. Der Senat habe vertragliche Zusagen, bei Krankenhäusern zu sparen, in den letzten beiden Jahren um 500 Millionen Mark verfehlt. Die bisherige Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) räumt diesen Fehlbetrag ein. Da die Ortskasse anders als überregionale Ersatzkassen nur Berliner versichert, trifft sie die Kostenlawine der hiesigen Kliniken ganz besonders. Nach gemeinsamer Überzeugung von Kassen und Senat könne man eine Milliarde Mark einsparen. Vorgaben nicht erfüllt haben die Universitätsklinika Charité und Benjamin Franklin sowie fast sämtliche gemeinnützigen und privaten Heilstätten. Diese Häuser fühlen sich an Verträge zwischen Kassen und Senat nicht gebunden, weil es sich um Vereinbarungen "zu Lasten Dritter" handele. Nur die elf städtisch geführten Krankenhäuser kürzten planmäßig.

"Rettung wie bei Holzmann"

An der Sparvereinbarung aus dem Sommer 1998 wirkte auch Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) mit. "In Streitfällen über Umsetzung, Auslegung und Beendigung dieser Vereinbarung" müssten die Vertragsparteien unter Vermittlung des Bundesgesundheitsministeriums "eine einvernehmliche Lösung finden". Seehofers Nachfolgerin Andrea Fischer (Grüne) ist bislang noch nicht tätig geworden.

Berlins AOK-Chef Rolf Müller, der nebem AOK-Spitzenmanagern aus dem Bundesgebiet am heutigen Krisengespräch bei Eberhard Diepgen teilnimmt, hält es "für selbstverständlich, dass der Senat endlich seinen Spar-Verpflichtungen nachkommt". Wären die Vorgaben eingehalten worden, hätte die AOK im Jahr 2000 statt eines 200-Millionen-Lochs ein Plus von 100 Millionen Mark, hieß es. Der Senat hatte bislang immer auf den Krankenhausplan 1999 verwiesen, um die Kosten zu senken. Dieser Plan hat eine Laufzeit von sechs Jahren und sieht den Abbau rund 4000 der derzeit 26 000 Betten und die Schließung von einem Dutzend Kliniken vor. Der Senat rechnet mit dem Verlust von rund 7000 Arbeitsplätzen. Für die AOK sei die Planungsfrist zu lang, sagt Bernd Köppl: "Wie bei Holzmann hat die Ortskrankenkasse Rettung verdient", da sie unverschuldet in Not geraten sei.

Gegendarstellung Sie verbreiten im Zusammenhang mit einem Zitat des Grünen-Abgeordneten Bernd Köppl: "Vorschläge wie die Schließung des Charité-Standortes in Mitte, womit sich Klinik-Chefmanager Bernhard Motzkus ..... bereits seit langem beschäftigt..." Dazu stelle ich fest: Ich habe mich noch nie mit der Schließung des Charité-Standortes Mitte beschäftigt. Eine Schließung kommt für mich nicht in Betracht. Richtig ist, dass ich den Vorschlag unterbreitet habe, die Krankenversorgung des Bettenhochhauses Mitte zu privatisieren unter Erhaltung des Standortes. Berlin, den 14. Dezember 1999 RA Johannes Eisenberg für Verwaltungsdirektor Charité Bernhard Motzkus

Bernhard Koch

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