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Weltstadt-Malerei. Junge Künstler aus Deutschland, Spanien, Frankreich und vielen anderen Ländern arbeiten auf dem Schlossplatz an einem Riesenplan von Berlin. Zur 775-Jahr-Feier soll er mit zahlreichen Beispielen dokumentieren, wie Einwanderer die Stadt zu dem gemacht haben, was sie heute ist.

© Thilo Rückeis

775-Jahrfeier: Berlin in Miniatur

Im Maßstab 1:775 entsteht auf dem Schlossplatz ein überdimensionaler Berlin-Stadtplan . Anlässlich des 775 Stadt-Jubiläums sollen sich die Berlin ihre Stadt auf 50 mal 50 Metern ganz genau anschauen können.

Erbarmungslos brennt die Sonne auf den Schlossplatz, mal weht von der Spree ein kühlendes Lüftchen. Die Wiese, auf der der Palast der Republik stand, ist auf einer Fläche von 50 mal 50 Metern mit schwarz-grauem Asphalt überzogen. Unter Zelten haben Künstler aus Deutschland, Frankreich, Holland, Italien, Spanien und dem Iran ihre Mal-Utensilien aufgestellt: Pinsel, Farben, Schablonen. „Es macht großen Spaß, Berlin auf diese Weise abzubilden“, sagt Anke Westermann, während Lucio Auri mit einem breiten Pinsel das Blau der Havel markiert. Ein anderer Akteur nimmt sich die Wälder vor: Fettes Grün für Grunewald, Tiergarten und Volkspark Friedrichshain. Das Pinsel-Produkt zeigt, wenn es denn in drei Wochen fertig ist, Berlin von Spandau bis Köpenick. Mit den wichtigsten Straßen, Gebäuden und Ereignisorten im Maßstab 1:775. Am 24. August wird dieser begehbare Stadtplan eröffnet – Berlin en miniature als die Attraktion der Stadt zu ihrer 775-Jahrfeier.

„Es ist der größte Stadtplan, der je in Berlin gefertigt wurde“, sagt Moritz van Dülmen, der Geschäftsführer von Kulturprojekte Berlin. Die Firma erfindet und betreut solch temporäre Festivitäten für ein Publikum, das auf dem Schlossplatz nicht nur suchen soll, wo die Mauer verlief, wo Tante Frieda wohnt und an welcher Stelle das Brandenburger Tor steht. Die Open-Air-Schau möchte Berlin als „Stadt der Vielfalt“ vorführen und eine 800-jährige Zuwanderungsgeschichte zeigen: „Von Hugenotten, Russen, Türken und anderen Berlinern“ heißt es, „hier sind viele gekommen, um zu bleiben, und der Gast soll Geschichte über Geschichten erfahren“, meint Moritz van Dülmen. Meterhohe Stecknadeln markieren 125 wichtige Orte, die für Berlins Buntheit, Vielfalt und kosmopolitischen Sound stehen. Da erfährt der Betrachter, wo Theodor Fontane als Nachkomme hugenottischer Religionsflüchtlinge gewohnt hat. Oder Heinrich Heine. Und wo sieht man mehr von Joseph Roth, der aus Galizien kam, als in der Joseph-Roth-Diele in der Potsdamer Straße?

Ein weitere Openair-Ausstellung zeigt die Historie Berlins

An den Riesen-Stecknadeln hängen Schilder: Die größte Pizzafabrik Europas steht seit 1986 im Norden Berlins und gehört einem Bayern, täglich gehen bis zu einer Million Pizzen in die Welt. Die Berliner Weiße ist eine Erfindung von Braumeister Daniel Josty, der 1818 aus dem Schweizer Oberengadin nach Berlin kam. Die ersten Berliner Türken waren eine Kriegsbeute preußischer Truppen und dienten um 1700 bei Sophie Charlotte im Schloss Charlottenburg – heute beschäftigen 6800 kleine und mittelständische Betriebe mit türkischen Chefs 29 000 Menschen. Die ersten Leierkastenmänner waren Italiener und kamen um 1870 nach Prenzlauer Berg. Ende des 19. Jahrhunderts brachten vier Eisenbahnwaggons 4000 Tonnen russische Erde nach Wittenau, damit russische Verstorbene in ihrer Heimaterde bestattet werden konnten.

Eine weitere Openair-Ausstellung möchte die Historie Berlins darstellen. Zwischen Petriplatz und Alex kann man sich das mittelalterliche Berlin vorstellen – acht sieben Meter hohe Ausstellungstürme enthalten eine Fülle von Material zur Handelsstadt Berlin, zur Juristerei, zum Totenkult: „Das Mittelalter war gar nicht so finster, wir hauchen ihm Leben ein“, sagt der Manager der Festivitäten.

Eine zusätzliche Rückschau erinnert vor der Marienkirche an die drei bisherigen Feiern zum Stadtjubiläum: 700 Jahre Reichshauptstadt hieß es 1937, die 750 Jahre Berlin wurden getrennt im Ost- und Westteil gefeiert.

Die Marienkirche ist schließlich Schauplatz eines Festaktes am 28. Oktober, an dem vor 775 Jahren die Urkunde mit der Ersterwähnung von Cölln datiert ist. Am Abend bringen die französischen Feuerpoeten von „Carabosse“ mit feuerspeienden Skulpturen, brennenden Girlanden und 800 Feuertöpfen das mittelalterliche Berlin zum Leuchten.

Danach ist Schluss mit Mittelalter – Berlin träumt wieder von der Zukunft.

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