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Berlin: 9. November 1989: Die Versöhnungskirche ist wiederauferstanden

Dieser neunte November wird zum großen Ereignis für Manfred Fischer. Der Pfarrer der Versöhnungsgemeinde weiht am dem Tag, als vor elf Jahren die Mauer fiel, die neue Kirche ein.

Dieser neunte November wird zum großen Ereignis für Manfred Fischer. Der Pfarrer der Versöhnungsgemeinde weiht am dem Tag, als vor elf Jahren die Mauer fiel, die neue Kirche ein. Seine Kirche an der Bernauer Straße. Denn er hatte die Idee, den Elan, die Kraft und den langen Atem, sich nicht mit dem Anblick einer Wiese zu bescheiden: Hier sah man noch die Umrisse der alten, 1894 in Anwesenheit der Kaiserin Auguste Victoria eingeweihten Kirche, die im Januar 1985 gemäß einem "Maßnahmeplan für die Erhöhung von Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit an der Staatsgrenze zu West-Berlin" von der DDR gesprengt worden war. Die Fotos sind um die Welt gegangen; wieder einmal war die "Bernauer", in der nach dem 13. August 1961 die Menschen aus den Fenstern sprangen, weil die Hauseingänge zugemauert worden waren, ein Beweis für die Brutalität des Regimes, das durch die Stadt den eisernen Vorhang gezogen hatte.

Vor der Sprengung der Kirche, die dem Schussfeld im Wege stand, hatten Arbeiter des nahen Friedhofs die hölzerne Abendmahlsszene aus dem Altarraum geborgen und versteckt - jetzt steht sie wieder im neuen Gotteshaus; den Jüngern Jesu wurden von Unbekannten einige Gesichter abgeschnitten, Judas rechts außen ist der einzige, dem kein Leid widerfuhr. Links davon steht ein Altar aus gestampftem Lehm, "das ist wohl einmalig in Deutschland", und unter dem Altarraum liegen, durch eine Glasscheibe zu betrachten, Kellerfundamente der alten Kirche sowie die originale Vermauerung mit grauem Blockgestein aus den Tagen nach dem 13. August. Draußen, direkt neben der runden, in Stampflehmbauweise errichteten und mit sieben Meter hohen Holzlamellen verkleideten Kirche, hängen in einem Läutegerüst drei Glocken, die einst im Turm geläutet hatten, und gleich am Eingang zu dem neuen Sakralbauwerk steht das schmiedeeiserne Kreuz vom schlanken Turm des neugotischen Backsteinbaues - man hatte es nach der Sprengung geborgen.

Die Kapelle der Versöhnung, wie das neue Kirchlein offiziell heißt, wurde von den Architekten Peter Sassenroth und Rudolf Reitermann entworfen. Hundert Menschen finden in dem unbeheizten Raum unter einer neuen Walker-Orgel Platz, 1,9 Millionen Mark kostete der Bau. In seinem grauen Stampflehm finden sich immer wieder zerriebene rote Steinstückchen, die von der Vorgängerkirche herrühren: "So ist die alte Versöhnungskirche wirklich wieder auferstanden", sagt Manfred Fischer - "als Dankeskirche für die Öffnung der Mauer, ohne dass ein Schuss gefallen wäre". Heute um 15 Uhr ist Einweihungsgottesdienst für geladene Gäste, um 17 Uhr Abendmahlsgottesdienst, und bis 22 Uhr kann die Versöhnungskapelle besichtigt werden.

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