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Berlin: 90er-Gefühl

Die Love Parade ist zum zweiten Mal ausgefallen. Und, haben Sie sie vermisst?

Die Love Parade ist zum zweiten Mal ausgefallen. Und, haben Sie sie vermisst? Als ich vor fünf Jahren zum letzten Mal auf der Love Parade war, fiel mir auf, wie wenig sich der Eindruck vor Ort mit dem aus den Fernsehübertragungen deckte. Echte, bunt oder gar nicht bekleidete Raver waren auch damals schon eindeutig in der Minderzahl. In der Menge traf ich vor allem auf Ältere, oder eher bieder wirkende Jugendliche, die fotografierten, statt zu tanzen. Damals war das Ende der Bewegung schon abzusehen.

2005 scheint sich die in den 90ern gefeierte Jugendkultur endgültig selbst überholt zu haben. Zur Ersatzveranstaltung Planet Pro Berlin kamen am Wochenende nur 15000 Besucher. Die früheren Raver sind erwachsen geworden, der Nachwuchs fehlt, und außerdem ist Jugendlichkeit zum Allgemeingut geworden. Jugend ist jetzt so etwas wie eine Marke, sie ist an kein reales Alter gebunden. Währenddessen sind neue Bewegungen, die von der echten Jugend ausgehen, nicht in Sicht. Da waren die 90er ganz anders. Wir verdanken diesem Jahrzehnt nicht nur Techno, sondern viele neue Musikrichtungen, die sich alle des Sampling bedienten, also bestehende Musikteile und Geräusche neu miteinander vermischten. Über Sampling wurden ganze wissenschaftliche Theorien verfasst. Außerdem erlebte die komplette Musikgeschichte durch den Einsatz von Fragmenten in neuen Songs eine Wiedergeburt, insbesondere im Hip-Hop.

1996 erschien in England ein Album von DJ Shadow, auf dem mehr als 500 Platten per Sampling verarbeitet wurden. Das Album „Entroducing“ schrieb damit Geschichte, war aber auch ansonsten von bemerkenswerter musikalischer Schönheit. Herausgebracht hat es James Lavelle auf seinem 1993 gegründeten Label Mo Wax, einem der wichtigsten Namen für Abstract Hip-Hop und so genannte Dope Beats, besser bekannt als Trip-Hop.

Ende der 90er arbeiteten DJ Shadow und James Lavelle dann gemeinsam an dem erfolgreichen Projekt U.N.K.L.E., dessen bekanntestes Stück „Rabbit In Your Headlight“ in Kollaboration mit Radiohead entstand. Der Track machte auch durch das von Jonathan Glazer realisierte Musikvideo Furore. Für dessen Debütspielfilm „Sexy Beast“ schrieb James Lavelle wiederum den Soundtrack.

Wer also in Erinnerung an die guten alten 90er und das hippe London schwelgen möchte, sollte sich Lavelles Auftritt im Watergate nicht entgehen lassen. Allein für den Überraschungsfaktor lohnt es sich. Denn der 31-jährige DJ soll auch heute noch die rarsten Bootlegs in seiner Plattentasche haben.

Fr, 15. Juli ab 23 Uhr: DJ James Lavelle (Mo Wax / U.N.K.L.E.), DJs Fortyounce, Skam aka Andre Henke, Henrik Bertsch, Valis im Watergate, Falckensteinstr. 49, Kreuzberg, Eintritt 10 Euro an der Abendkasse.

Christine Lang

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