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Berlin: 98-Jähriger nach versuchtem Totschlag angeklagt Rentner ging mit Messer, Keule und Revolver auf seine 74-jährige Frau los. Sie überlebte drei Angriffe

Die Anklage liest sich wie die Beschreibung eines kaltblütigen Mordversuchs. Mit einem Messer, einer Keule und einer Schusswaffe habe der Täter sein Opfer – die eigene Frau – attackiert.

Die Anklage liest sich wie die Beschreibung eines kaltblütigen Mordversuchs. Mit einem Messer, einer Keule und einer Schusswaffe habe der Täter sein Opfer – die eigene Frau – attackiert. Mehrfach, bis er glaubte, sie sei tot. Der vermeintliche Killer allerdings ist gebrechlich, gilt als lebensmüde und vorläufig als vermindert schuldfähig. Und er ist 98 Jahre alt. Er wartet in der Gefängnispsychiatrie und nicht im Untersuchungsgefängnis auf den Prozess. Ob er für seine Tat die volle Schuld trägt, muss das Landgericht klären. Die Staatsanwaltschaft geht von versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung aus.

Am 12. Juni dieses Jahres steht die 74-jährige Ehefrau des Angeklagten in der gemeinsamen Wilmersdorfer Wohnung in der Küche. Ihr Mann tritt an sie heran, mit einer Schusswaffe zielt er auf ihren Kopf, drückt ab. Doch der Schuss tötet die Frau nicht, offenbar ist dem 98-Jährigen nicht klar, dass es sich um einen Schreckschussrevolver handelt. Er läuft aus der Küche, sie ruft ihre Tochter an. Wenig später schlägt er mit einer Holzkeule auf ihren Kopf ein, einmal, zweimal, dreimal. Sie geht offenbar nicht zu Boden, sondern kann erneut die Tochter um Hilfe rufen. Die Polizei wird informiert, als er erneut zum Angriff ansetzt: Mit einem Fleischermesser sticht er auf seine Frau ein, sie kann die Attacke nur mühsam abwehren, blutet schließlich am Kopf und fällt zu Boden.

Anschließend versucht der lebensmüde Rentner, sich mit dem Messer die Handgelenke aufzuschneiden. Als Polizisten klingeln, hat sich seine Frau auch vom dritten Angriff erholt. Sie führt die Beamten in die Küche: Der Angeklagte hat das Messer noch in den blutenden Händen, er lebt und wird festgenommen. Nach einem Klinikaufenthalt kommt der Mann aufgrund eines vorläufigen Gerichtsbeschlusses in die geschlossene Gefängnispsychiatrie.

Der Angeklagte leidet an Asthma, hat Nierenschäden, muss zur Dialyse. Auch seine Frau war gesundheitlich angeschlagen. Seine diffusen Selbstmordabsichten waren offenbar bekannt. Psychiater sprechen nach solchen Taten von „erweitertem Suizid“, wobei hierzulande auch bei ausdrücklichem Verlangen eines vermeintlich Lebensmüden nicht beim Selbstmord geholfen werden darf. Erweiterten Suizid gibt es also nicht, sondern allenfalls eine strafbare Tötung und den anschließenden Selbstmord des Täters.

Immer wieder glauben Menschen, sie könnten nach einem Selbstmord ihren Partner nicht zurücklassen. Vergangenes Jahr stand ein 74-jähriger Mann im Verdacht, seine Ehefrau im märkischen Bergfelde erdrosselt zu haben, in der Untersuchungshaft beging er Selbstmord. Vor fünf Jahren hatte ein 65-Jähriger aus Neukölln seine 60-jährige Ehefrau erwürgt. Ein Nachbar fand den Mann im Keller, wo er sich selbst zu töten versucht hatte. In Marienfelde hatte 2003 ein 68-Jähriger seine 65-jährige Frau erschossen. Danach tötete er sich selbst. Ermittler glauben, dass er seine Frau tötete, um sie von einer schweren Krankheit zu erlösen.

Erkennt das Gericht im aktuellen Wilmersdorfer Fall auf verminderte Schuldfähigkeit, wird der 98-Jährige in einer geschlossenen Psychiatrie bleiben.

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