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A100-Kompromiss: Rot-Grün provoziert Lob und Tadel

Gut für die Umwelt, schlecht für die Wirtschaft. Das ist im Kern die Einschätzung von Umweltschützern und Wirtschaftsvertretern zum Kompromiss bezüglich des umstrittenen Ausbaus der Stadtautobahn A 100, den SPD und Grüne am Montagabend bekannt gaben.

Spitzenvertreter der Landesverbände beider Parteien stimmten am Montagabend nach mehrtägigen Sondierungsgesprächen für die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen – und präsentierten eine Einigung zu dem bis dahin größten Hindernis für eine gemeinsame Regierung. Danach werde der Ausbau der Autobahn „nicht grundsätzlich aufgegeben“, man wolle aber beim Bund dafür werben, die für das Projekt veranschlagten Bundesmittel für andere Infrastrukturprojekte in Berlin einzusetzen. Faktisch bedeute das, dass der Ausbau der A100 mindestens bis 2013 aufgeschoben ist, wahrscheinlich noch deutlich länger. Details sind jetzt in den in Kürze startenden Koalitionsverhandlungen zu klären.

Beim „Bund für Umwelt und Naturschutz“ (BUND), dem nach eigenem Bekunden größten deutschen Umweltverband, lösten der Kompromiss und die generelle rot-grüne Annäherung Freude aus. „Das bietet die Chance, die ökologische Modernisierung in Berlin voranzutreiben“, sagte der Berliner BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser dem Tagesspiegel. Berlin könne unter eine rot-grünen Landesregierung eine „Vorreiterrolle“ beim Klimaschutz und bei nachhaltiger Mobilität einnehmen. Den Kompromiss zur A100 sieht Heuser als „Chance, jetzt konkrete Alternativprojekte zu erarbeiten“, bei denen im Gegensatz zur bisher geplanten Autobahnverlängerung Ökologie und Lärmschutz stärker berücksichtigt würden. Nicht zuletzt wegen der Sparzwänge des Bundes hat der BUND nun die Hoffnung, dass die neue Berliner Landesregierung gemeinsam mit dem Bund ein „ökologisches Gesamtkonzept“ für die Stadt entwickelt. Daran mitzuarbeiten sei nun auch die Aufgabe von außerparlamentarischen Interessenvertretungen wie seiner Organisation, sagte Heuser.

Gegenteilig waren die Reaktionen bei Wirtschaftsvertretern und anderen Befürwortern des Autobahn-Ausbaus, wie dem ADAC. Volker Krane, bei dem Automobilclub als Berliner Vorstand für den Verkehrsbereich zuständig, findet den nun gefundenen Kompromiss „ indiskutabel“, wie er dem Tagesspiegel sagte, sowohl für den regulären Verkehr durch die Innenstadt als auch für den Zugang zum künftigen Großflughafen BBI in Schönefeld. „Damit wird die Entlastung der Stadt vom Durchgangsverkehr sowie die verkehrspolitisch notwendige Erschließung des Flughafens BER auf die lange Bank geschoben.“ Berlin verspiele die Chance, „jetzt zukunftsfähig und infrastrukturell sinnvoll zu investieren.“

Ähnlich waren die ersten Reaktionen auch unter Vertretern der Wirtschaft, wenngleich sich die Sprecher der Verbände am Abend noch nicht mit detaillierten Reaktionen an die Öffentlichkeit wagten. Dafür müsse man erst einmal abwarten, ob der nun gefundene Kompromiss auch in der Koalitionsvereinbarung beschlossen wird, hieß es. Sollte dies so kommen, dürfte die neue rot-grüne Landesregierung aber den Protest von Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) auf sich ziehen.

So hatten die Unternehmensverbände noch vor kurzem in ihren Wahlprüfsteinen für den 18. September erklärt, dass der unverzügliche Autobahnausbau unverzichtbar für die Wirtschaft sei: „Damit die Gewerbegebiete im Ostteil besser angeschlossen werden und die Anbindung an den BBI verbessert wird, muss die Bundesautobahn A 100 verlängert werden und mit den Bauarbeiten nach dem Planfeststellungsbeschluss unverzüglich begonnen werden“, hieß es da. Und die IHK hatte erklärt: „Als leistungsfähige Ost-West-Verbindung ist die A100 alternativlos.“ Mit der Verlängerung der Autobahn von Neukölln nach Treptow werde einerseits „die bestehende Barriere für den West-Ost-Verkehr überwunden“. Und die Stadt wachse weiter zusammen: „Diesen Ost-West-Brückenschlag kann nur die A100 leisten.“

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