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Berlin: Ab ins Wasser

Je früher sie schwimmen lernen, desto leichter fällt es Kindern. Der Schulsenator will den Unterricht aber nicht vorziehen

Für Berlins obersten Bademeister ist die Sache klar: „Je jünger ein Kind ist, desto leichter lernt es schwimmen.“ Das hat Bäderchef Klaus Lipinsky immer wieder beobachtet. Bei den Schwimmkursen in den Bädern, deren kleine Teilnehmer um die sechs Jahre alt sind, zeige sich jedes Mal: „In der Altersgruppe ist die Scheu vor dem Wasser geringer und die Lernbegierigkeit und -fähigkeit höher.“ Der Vorstandsvorsitzende der Bäder-Betriebe befürwortet deswegen auch einen früheren Schwimmunterricht in den Schulen.

Bislang lernen Berlins Kinder erst im Sportunterricht der dritten Klasse, wie sie sich über Wasser halten. Die Unglücksfälle, bei denen kürzlich zwei Kinder in Berliner Seen ertranken, haben eine Debatte ausgelöst, was gegen die mangelnden Schwimmfähigkeiten vieler Kinder getan werden kann.

Im nationalen Vergleich steht Berlin allerdings nicht schlecht da, sagt Lipinsky: Lediglich zehn Prozent der Kinder können nach dem Schwimmunterricht in der dritten Klasse nicht schwimmen. Das liege weit unter dem Bundesdurchschnitt, wie ihn die Zahlen der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft DLRG illustrieren: Im gesamten Land wird der Anteil der Kinder unter 14 Jahren, die nicht oder nur sehr schlecht schwimmen können, auf 25 Prozent geschätzt.

Das spezielle Berliner Problem wird durch einen genaueren Blick auf die Statistik deutlich: Während unter den Schulkindern nach der dritten Klasse in Bezirken wie Pankow und Zehlendorf nur drei Prozent Nichtschwimmer gezählt werden, kommen Bezirke wie Neukölln und Kreuzberg auf bis zu 27 Prozent Nichtschwimmer. Als wichtigste Ursache nennt der Bäderchef den hohen Migrantenanteil: Strenggläubige Eltern türkischer oder arabischer Herkunft vermitteln ihren Kindern keine Schwimmkenntnisse und halten vor allem Mädchen aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht fern. Diesen Familien käme ein Schwimmunterricht ab der ersten Schulklasse entgegen. So heißt es in den diversen Musteranträgen zur Befreiung der Tochter vom Schwimmunterricht, die im Internet kursieren, dass „gemäß der religiösen Gebote des Islam“ bei Mädchen spätestens mit neun Jahren die geschlechtliche Reife einsetze. Jungen erreichen diese Reife demnach erst mit Vollendung des 15. Lebensjahres.

Die Schulverwaltung von Bildungssenator Klaus Böger (SPD) hat dennoch nicht vor, den Schwimmunterricht künftig schon in früheren Klassen als der dritten anzubieten. Er kenne auch kein Bundesland, das dies anders handhabe, sagt Bögers Sprecher Kenneth Frisse. Wer die Schule als alleinigen Ort ansieht, in dem Kinder schwimmen lernen, stelle zu hohe Anforderungen: „Die Schule kann einige Versäumnisse der Eltern ausgleichen, aber wir können nicht alle Lücken schließen, die es bei der Gesundheits- und Bewegungserziehung gibt.“

Dazu kommen praktische Schwierigkeiten, die auch Bäderchef Lipinsky nicht leugnen will: Die Erfahrung bei den Schwimmkursen der Bäderbetriebe zeige, dass Kinder im Erstklässler-Alter von sechs Jahren viel mehr Betreuung brauchen, alleine schon,um sich umzuziehen. Das sei bei Drittklässlern einfacher.

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