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Berlin: Abenteuer Steinewerfen

Entbehrt der Mythos vom politischen Straßenkämpfer in Kreuzberg jeder Realität? Sicherheitsexperten kamen jetzt zu dem Ergebnis: An den Ausschreitungen am 1.

Entbehrt der Mythos vom politischen Straßenkämpfer in Kreuzberg jeder Realität? Sicherheitsexperten kamen jetzt zu dem Ergebnis: An den Ausschreitungen am 1. Mai des vergangenen Jahres beteiligten sich vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die bislang nie durch politische Aktivitäten aufgefallen waren. Junge Leute, die im Krawall ein Abenteuer suchen.

Ex-Innensenator Eckart Werthebach (CDU) und die Innenpolitiker der Parteien hatten aber mit Demonstrationsverboten und politischen Warnungen stets auf politische Gruppierungen gezielt – um so den ritualisierten Krawall zu verhindern. Dabei war schon in den Jahren zuvor die Vielzahl modisch gekleideter deutscher, aber auch ausländischer Jugendlicher, die sich unorganisiert am Krawall beteiligten zu beobachten gewesen. Jetzt belegt eine dem Tagesspiegel vorliegende Studie der Polizeifachhochschule, die die Behörden vor dem 1. Mai aus taktischen Gründen geheim halten wollten, die These vom unpolitischen „Abenteuerspielplatz 1. Mai“. „Die Frage nach dem linken Angriff auf den Rechtsstaat kann auf Grund der vorliegenden Ergebnisse klar verneint werden“, heißt es darin. „Wie dargestellt, konnten lediglich 13 Täter dem – im weitesten Sinne – linken Spektrum zugeordnet werden.“ Linke Szenemitglieder waren an den Krawallen so gut wie nicht beteiligt. Unter denjenigen, die am 1. Mai festgenommen worden waren, trafen die Beamten also kaum auf Demonstranten, die einschlägig politisch vorbestraft waren.

In einem Aufsatz für die Fachzeitschrift „Die Polizei“ gibt auch Michael Knape, Leiter der Polizeidirektion 7, einen Überblick über die Struktur der Festgenommenen. Danach wurden 616 Personen kurzzeitig festgehalten, davon 148 Leute wegen einer Straftat. Für 36 von ihnen wurde Haftbefehl erlassen, 27 wurden von der Haft verschont. Unter den 148 Straftätern waren nur zehn Mädchen oder junge Frauen. Auch die ausländischen jungen Leute waren eine kleine Minderheit. Neben 136 Deutschen wurden 12 Ausländer festgenommen. Wie viele eingebürgerte Migranten unter den Deutschen waren, ist nicht ausgewiesen. Weniger aussagekräftig als diese Zahlen ist die Einteilung nach dem Alter. Wegen Straftaten festgenommen wurden 88 Erwachsene, 40 Heranwachsende und 20 Jugendliche. Als Heranwachsende zählen jedoch nur junge Leute bis zum Alter von 21 Jahren. Selbst die Polizei betrachtet jedoch auch junge Leute bis Mitte 20 als Jugendliche im weiteren Sinne.

Die Beobachtung, die Knape im vergangenen Jahr gemacht hat, entsprechen den statistischen Erkenntnissen. „Plötzlich und unerwartet entpuppten sich überwiegend junge Leute als gefährliche Straftäter“, schildert Knape eine Situation, als die Lage auf dem Gelände des Mariannenplatzfestes eskalierte. „Sie begannen überraschend, überfallartig und somit für die Polizei nicht exakt vorhersehbar, Steine auf die Einsatzkräfte der Polizei zu werfen.“ Und resigniert hält Knape fest: „Letztendlich bleibt festzuhalten, dass man es den Leuten nicht ansehen kann, ob und wann sie sich als Straftäter entpuppen.“ Barbara Junge

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