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Berlin: Abgeordnete trotzen der Wut

Schreiende Babys, wütende Mütter: Auf der Zuschauertribüne des Abgeordnetenhauses ging es am Freitagmorgen angriffslustig zu, als im Plenum die Sparmaßnahmen im Bereich Bildung, Jugend und Sport debattiert wurden. Und es wurde sehr schnell deutlich, was die Bürger am stärksten aufregt: die Streichungen im Kita-Bereich.

Schreiende Babys, wütende Mütter: Auf der Zuschauertribüne des Abgeordnetenhauses ging es am Freitagmorgen angriffslustig zu, als im Plenum die Sparmaßnahmen im Bereich Bildung, Jugend und Sport debattiert wurden. Und es wurde sehr schnell deutlich, was die Bürger am stärksten aufregt: die Streichungen im Kita-Bereich. Die Jugendpolitiker von SPD/PDS hatten es schwer, die Kürzungen zu verteidigen, kündigten aber an, das Haushaltsentlastungsgesetz bei der Abstimmung am Nachmittag mitzutragen.

Monatelang hatten Eltern, Erzieher und Gewerkschaften mit Demonstrationen und zwei Warnstreiks versucht, die Millionenstreichungen abzuwenden. Denn durch den Wegfall von 1100 Stellen wird die Arbeit in den Kindertagesstätten erheblich erschwert. Umstritten ist insbesondere die Vergrößerung der Hortgruppen für Schüler von 16 auf 22 Kinder. Aber auch die zusätzliche Belastung der Kita-Leiterinnen mit Erzieheraufgaben wird scharf kritisiert.

Dies alles seien zwar „unerfreuliche Dinge“, aber angesichts der Finanzmisere nun mal nicht zu ändern, wehrte die jugendpolitische Sprecherin der SPD, Christa Müller, die Kritik der Opposition ab. Und Bildungssenator Klaus Böger (SPD) verwies darauf, dass es in anderen Bundesländern durchaus üblich sei, die Leiterinnen stärker zu Betreuungsaufgaben heranzuziehen.

Für solche Argumente waren die Vertreter der Opposition wenig zugänglich. Mieke Senftleben (FDP) befand es als „kontraproduktiv“, ausgerechnet dann bei den Kita-Leiterinnen zu sparen, wenn die Reform der vorschulischen Erziehung auf dem Programm stehe. Der christdemokratische Abgeordnete Uwe Götze ließ den Senator wissen, dass ihm „Angst und Bange“ um Kitas und Schulen sei. Böger „versündige“ sich an der Zukunft der Kinder, wenn er hier spare.

Ramona Pop von den Bündnisgrünen rechnete vor, dass die Kita-Kürzungen mit 69 Millionen Euro im Haushaltsentlastungsgesetz zu Buche schlagen, das insgesamt ein Volumen von 80 Millionen hat. Ihre Fraktionskollegen trugen eine Wäscheleine mit „letzten Hemden“ ins Plenum und konfrontierten die Regierungskoalition mit ihrem Versprechen, bei der Bildung nicht zu sparen.

Es wurde aber nicht nur über die Kitas debattiert, sondern auch über die Einschnitte bei den Freien Schulen. Özcan Mutlu von den Bündnisgrünen warnte, dass diese Schulen infolge der Kürzungen zu dem würden, was SPD und PDS eigentlich bekämpfen wollten: „Privatschulen für Reiche“.

Dass er damit Recht behalten könnte, zeichnet sich bereits ab: Schon in diesen Tagen erhalten die Eltern der Waldorfschulen Briefe, in denen ihnen die Heraufsetzung der Elternbeiträge angekündigt wird. Anders können die Schulen die Kürzungen bei Reinigungskosten und Personalmitteln nicht kompensieren. Auch andere freie Träger haben bereits Beitragsanhebungen angekündigt.

Siglinde Schaub von der PDS versuchte, den Blick auf Verbesserungen im Schulbereich zu lenken. Immerhin würden die Klassen in sozialen Brennpunktschulen kleiner. Und auch weitere Reformen könnten in Angriff genommen werden, weil die Koalition 1040 neue Lehrerstellen sichern will. Özcan Mutlu verwies allerdings darauf, dass diese neuen Stellen mitsamt den angekündigten Reformen zum Teil auf sich warten lassen. Denn weder die versprochenen Ganztagsschulen noch die neuen verlässlichen Halbtagsschulen werden vor 2004 entstehen.

Kritisiert wurden von der Opposition auch die Kürzungen im Sportbereich. Ihnen fallen das sportmedizinische Institut, die Führungsakademie des Sportbundes sowie 14 Bäder zum Opfer. Auch das absehbare Aus für das sanierungsbedürftige SEZ sei ein „Skandal“, so der CDU-Abgeordnete Axel Rabbach. Laut Böger verbleiben dennoch genügend Kapazitäten für das Vereins- und Schulschwimmen. Als hierüber gestritten wurde, hatten sich die Kreuzberger Mütter mit ihren Babys allerdings schon davon gemacht: Den Saalordnern gefiel es gar nicht, dass die Frauen Flugblätter von der Tribüne warfen. Susanne Vieth-Entus

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