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Jede Stimme zählt. Das galt auf dem FDP-Bundesparteitag im Mai 2015 in Berlin – und das wird wohl auch bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst gelten.

© imago/IPON

Abgeordnetenhauswahl: Berlins FDP will mit vier Kandidaten über drei Prozent

Mehrere Kandidaten wollen die FDP zurück ins Landesparlament führen. Umfragen zufolge würde es dafür jetzt noch nicht reichen.

Nun gibt es vier Bewerber um den Landesvorsitz der Berliner FDP. Oliver Kumpfert, Vorsitzender des Liberalen Mittelstands in der Berliner FDP, hat am Wochenende bekräftigt, dass er auf dem Landesparteitag am 11. März für den Parteivorsitz kandidieren will. Er konkurriert mit dem kommissarischen Landeschef Henner Schmidt, dem Unternehmer Hans Bellstedt und der früheren Landesgeschäftsführerin Sibylle Meister. Mit Kumpferts Kandidatur ist eine Kampfabstimmung um den Vorsitz wahrscheinlich geworden – er sagte dem Tagesspiegel, er wolle „auf jeden Fall“ antreten. Die drei anderen Bewerber hatten vergangene Woche angedeutet, dass sie ihre Bewerbung vom Gesamtbild der Kandidatenliste für die Wahl zum Abgeordnetenhaus abhängig machen wollten.

Kumpfert ist von Beruf Steuer- und Unternehmensberater, seit 2012 Mitglied der Berliner FDP. Bei der Wahl 2011 hatten die Liberalen in Berlin nur 1,8 Prozent der Stimmen gewonnen. Kumpfert sagte, die Niederlage habe ihn zum Eintritt motiviert, nun wolle er den Liberalen helfen, etwas „basisdemokratischer“ zu werden. Er regt an, nach Hamburger und Brandenburger Vorbild auf Parteitagen alle Mitglieder stärker zu beteiligen. Programmatisch will er die FDP an den Kernaufgaben des Staates orientieren, darüber aber die „Fürsorge für die Schwachen“ nicht vernachlässigen. Außerdem setzt sich Kumpfert für die Offenhaltung des Flughafens Tegel ein und kritisiert die Flüchtlingspolitik des Senats: In Tempelhof entstehe „gegen den Willen der Bürger“ die größte Flüchtlingsunterkunft in Deutschland.

Generell haben sie sich bei der Berliner FDP eine gewisse liberale Zuversicht bewahrt. In Zeiten der außerparlamentarischen Opposition, vor allem in den vergangenen Monaten, wurden die Liberalen in Meinungsumfragen mit drei, manchmal auch vier Prozent gemessen. Sie stehen also wieder besser da als bei der Desasterwahl 2011, bei der die FDP bloß 1,8 Prozent holte und sich damit selbst aus dem Abgeordnetenhaus katapultierte.

Oliver Kumpfert.
Oliver Kumpfert.

© Promo

Im kommenden September aber wollen sie es wieder in das Berliner Landesparlament schaffen. Sie glauben, dass es in Berlin etwas für sie zu gewinnen gibt und sie der Stadt etwas zu geben haben – und sei es, wie manche meinen, eine Opposition, die es ernst meint. Die neue Zuversicht zeigt sich daran, dass zur Wahl einer oder eines neuen Landesvorsitzenden auf dem Parteitag am 11. März neben Kumpfert drei weitere Kandidaten antreten wollen: Da ist zum einen Henner Schmidt, amtierender FDP-Chef, der das Amt von der erkrankten Alexandra Thein übernommen hat und offenbar weitermachen will. Auch Sibylle Meister, vormals Landesgeschäftsführerin und Abgeordnete, denkt an eine Kandidatur. Vor ein paar Tagen hat zudem der Unternehmer Hans Bellstedt seine Bereitschaft zu einer Kandidatur erklärt; der Inhaber einer Kommunikationsagentur leitet seit drei Jahren den liberalen Wirtschafts-Arbeitskreis.

Noch ist nicht abzusehen, wer von den Kandidaten Aussicht auf eine starke Mehrheit hat. Anders als in früheren Jahren, als Kampfkandidaturen um den Landesvorsitz und andere Spitzenämter üblich waren, ist von Streit momentan nicht viel zu hören. Sebastian Czaja, Generalsekretär der Berliner FDP, seit Kurzem auch Kandidat des Bezirksverbands Steglitz-Zehlendorf für einen Sitz im Abgeordnetenhaus, sagt, Geschlossenheit sei „oberstes Gebot“ – wenn man dafür sorgen wolle, dass ein zerstrittener Senat abgewählt werde. Das sähen offenbar viele der 2500 Mitglieder so, hielten sich deshalb beim Streiten zurück und konzentrierten sich ganz auf die Aufstellung der Kandidatenlisten für die Wahl.

Ein anderes Wort, das Czaja gebraucht, wenn man ihn nach der Verfassung der Berliner FDP fragt, lautet „Demut“. Bei einer Taxierung auf drei bis vier Prozent wäre eine Lautstärke, wie sie zu Zeiten des Vorsitzenden Martin Lindner üblich war, fehl am Platz. Die FDP, sagt Czaja, müsse sich um Aufmerksamkeit bemühen. Dass sie wahrgenommen werde, wenn sie mit frischen Ideen komme, habe ihm die Kampagne für die Offenhaltung des Flughafens Tegel gezeigt.

Sollte Schmidt oder Meister die Berliner FDP für die kommenden zwei Jahre führen, ist mit zunehmender Verbalradikalität eher nicht zu rechnen. Schmidt war als Abgeordneter für seine Sachlichkeit etwa in der Umweltpolitik bekannt. Sibylle Meister gehörte ebenfalls nicht zur Gruppe der Polemiker in der Fraktion. Meister sagt von sich, sie kenne die Partei, sie habe Erfahrung und würde sich zutrauen, einen Wahlkampf zu organisieren.

Auch Hans Bellstedt wirkt nicht wie einer, dem Kampfkandidaturen über alles gehen. Er will „explizit nicht“ ins Abgeordnetenhaus, traut sich aber zu, die FDP in Berlin „inhaltlich auf die Höhe der Zeit zu führen“. Die demografische Entwicklung, die Probleme Wohnen und Mobilität, die unendliche Langsamkeit der Digitalisierung der Behörden – da will er Ideen entwickeln, die so gut sind, dass sie über Berlin hinaus ernst genommen werden.

Derzeit stellen sich die Kandidaten in den FDP-Gliederungen vor. Möglich ist, dass am 11. März nur eine oder einer kandidiert – die oder der mit dem positivsten Feedback aus der Partei. Damit nicht gleich wieder von Streit die Rede ist.

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