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Berlin: Abriss und Aufbruch in der Mitte der Stadt

Pockennarbiger Asphalt, Kopfsteinpflaster, bröcklige Fassaden - als André Kirchner 1990 mit seiner Großbildkamera durch die Mitte der Stadt zog, war dort von Aufbruch, moderner Architektur, Bonnern und Szenekneipen noch nichts zu spüren. "Einsam und verlassen" sei ihm das Zentrum Ost-Berlins schon bei Besuchen vor der Wende vorgekommen, sagt der Fotograf heute.

Pockennarbiger Asphalt, Kopfsteinpflaster, bröcklige Fassaden - als André Kirchner 1990 mit seiner Großbildkamera durch die Mitte der Stadt zog, war dort von Aufbruch, moderner Architektur, Bonnern und Szenekneipen noch nichts zu spüren. "Einsam und verlassen" sei ihm das Zentrum Ost-Berlins schon bei Besuchen vor der Wende vorgekommen, sagt der Fotograf heute. Kirchners Nachtaufnahmen sind menschenleer. Bei Belichtungszeiten von bis zu einer Stunde hinterlassen Passanten ohnehin keine Spuren auf dem Film. Auf seinen - mittels eines Stipendiums des Landes geförderten - Aufnahmen ist ein Durcheinander von architektonischen Stilen, Klassizismus, Gründerzeit und DDR-Zweckbau zu sehen, Wartburgs und Trabbis bestimmten 1990 noch das Straßenbild der Mitte. Das beherrschende Design war osteuropäisch. Baustellenzäune, Müllcontainer, Kleinlaster - alles sah anders aus.

Das Thema "Wandel der Stadt in den 90er Jahren" haben die die Bilder der Fotografen André Kirchner, Wolfgang Ritter und Ulrich Wüst gemein. Ihre Ausstellung "Berlin Tektonisch" wurde gestern im Haus am Kleistpark in Schöneberg eröffnet. Alle drei sind dort keine Unbekannten, haben entweder schon vorher Ausstellungen gehabt oder als Kurator gearbeitet. Die Fotografie gewinne in unseren hektischen Zeiten eine wachsende Bedeutung, heißt es in einer Einladung des Hauses, das in den vergangenen Jahren immer wieder Ausstellungen renommierter Fotografen zeigte. Sie ermögliche, was von keinem anderen Medium geleistet werden könne, den verlangsamten Blick. Die drei Fotografen sehen, was ein Tourist, der an einem Ort vorbeihuscht, gar nicht erfassen kann, sagt Kunstamtsleiterin Katharina Kaiser.

Den Arbeiten Ulrich Wüsts, geboren in Magdeburg, merkt man die Ausbildung als Stadtplaner an. Die Architektur bestimmt seine Bilder von Hinterhöfen, Brachflächen und sozialistischen Hochhäusern am Alexanderplatz. Licht und Schatten bilden abstrakte geometrische Formen. Wolfgang Ritter zeigt Nahaufnahmen von "Brandstätten". Abgefackelte Schuppen beispielsweise, in deren Schutt zwischen Stahlträgern, Steinen und verkokelten Bohlen junge Pflanzen sprießen. Abbruch und Aufbruch ist in dieser Serie auch Ritters Thema.Berlin Tektonisch; bis zum 11. Juni im Haus am Kleistpark, Grunewaldstraße 6 bis 7; dienstags bis sonntags von 12 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.

tob

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