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Berlin: Abriss zum Wohle der Allgemeinheit

Der mehrjährige Rechtsstreit um die Gestaltung des Platzes vor dem Kant-Dreieck hat nun ein Ende. Der Bundesgerichtshof hat jetzt seine Entscheidung veröffentlicht, dass der Flachbau neben dem Hochhaus "zum Wohle der Allgemeinheit" enteignet werden darf.

Der mehrjährige Rechtsstreit um die Gestaltung des Platzes vor dem Kant-Dreieck hat nun ein Ende. Der Bundesgerichtshof hat jetzt seine Entscheidung veröffentlicht, dass der Flachbau neben dem Hochhaus "zum Wohle der Allgemeinheit" enteignet werden darf. Die Eigentümerin des kleinen Schmuck- und Porzellanladens in der Kantstraße 156 weigerte sich bisher hartnäckig, ihr Geschäft aufzugeben. Dadurch scheiterte der Plan, das Gelände zu einem attraktiven Platz umzubauen. Umgeben von neuer Architektur, mit dem Anspruch ein modernes und weltstädtisches Ambiente zu verbreiten, wirkt die graue Betonbude schon seit längerer Zeit ziemlich fehl am Platze. In dem Gebäude aus den fünziger Jahren befand sich bis 1996 auch ein Sex-Shop, der aus ungeklärter Ursache abbrannte. Das 325 Quadratmeter große Grundstück reicht bis an die S-Bahn-Bögen heran und ist mit einem hohen Maschendrahtzaun umgeben. Ein 1,8-Millionen-Mark-Kaufangebot des Eigentümers des benachbarten Kantdreieck-Hochhauses, der Firma KapHag, hatte die Frau stets abgelehnt. Auch das Angebot, in den Neubau oder die S-Bahn-Bögen umzuziehen, nahm sie nicht an.

Um das benachbarte Hochhaus des Architekten Josef Paul Kleihues mit dem markanten Aluminiumsegel auf dem Dach - wie geplant - um sechs Stockwerke zu erhöhen, ist es nötig, den Bebauungsplan aus dem Jahre 1993 zu ändern. Schon im Jahr 1994 hatte das Bezirksamt Charlottenburg die Enteignung beantragt, um den in dem neuen Bebauungsplan vorgesehenen Stadtplatz mit einem Fußgängerweg bauen zu können.

Alexandra Zapp, die neben ihrem Laden auch das Grundstück besitzt, wurde verklagt, verlor den Prozess und legte Berufung ein. Es ging vom Land- über das Kammergericht bis hin zum Bundesgerichtshof. Nun ist aber endgültig entschieden, dass der Platz mit Rücksicht auf das gegenüberliegende Theater des Westens gestaltet werden kann. Das "gehobene Umfeld" der näheren Umgebung soll künftig nicht mehr weiter durch das schmuddelige Gebäude beeinträchtigt werden. Die Büros und Läden werden auf diese Weise städtebaulich aufgewertet. Auch ein Vertreter des benachbarten Neuen Kranzler-Ecks zwischen Kurfürstendamm und Stadtbahnviadukt begrüßte es, dass Besucher nach dem Umbau über die Kant- bis zur Hardenbergstraße laufen können, ohne an dem Flachbau vorbeigehen zu müssen.

Die Besitzerin des Grundstücks lehnte es gestern ab, über die Konsequenzen des Urteils und ihre weiteren Pläne zu sprechen. In dem winzigen Laden, der eher an ein Trödelgeschäft als an einen Luxus-Juwelier erinnert, arbeiten die Besitzerin und ihre Tochter. Es braucht nur zwei Schritte, um von der Eingangstür an den Verkaufstresen zu gelangen. Der kleine und karge Raum wirkt nicht wie ein schützenswertes Relikt vergangener Zeiten. Im Gegenteil: Der Muff, den der äußere Anblick des Gebäudes vermuten lässt, ist tatsächlich zu spüren. Der Autolärm der viel befahrenen Kantstraße wird durch das Glasschaufenster nur mäßig gedämpft. Das Urteil des Bundesgerichtshofs hat für die Ladenbesitzerin auch erhebliche finanzielle Folgen: Statt der einst angebotenen 1,8 Millionen Mark wird die enteignete Grundstücksbesitzerin nach Schätzungen des KapHag-Geschäftsführers Gernot Moegelin nun nur noch die Hälfte der Summe erhalten. Wann das Grundstück geräumt wird, ist unklar. Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung war dazu gestern keine Auskunft zu erhalten.

hrk

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