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Berlin: Abschiebung am Geburtstag

Ausländerbehörde will zwölfjähriges Mädchen nach Kiew zurückschicken – seine Mutter, deren Partner und drei Geschwister soll es zurücklassen

Am Freitag hat Elvira Trofymenko Geburtstag. Sie wird 13. Dazu möchte sie ihre Berliner Freundinnen einladen. Aber wenn es nach der Ausländerbehörde geht, sitzt das Mädchen am Freitag im Flugzeug nach Kiew. Das Amt will sie abschieben. „Das ist schrecklich“, sagt Elvira in perfektem Deutsch. In der Ukraine hätte sie niemanden. Die Großeltern sind zu alt, um sich um sie zu kümmern. „Ich will bei meiner Mama bleiben“, sagt Elvira. Aber ihre Mutter, Ina Trofymenko, würde in Berlin bleiben. Sie ist schwanger und versorgt zusammen mit ihrem deutschen Lebensgefährten Martin Paul die gemeinsame zweijährige Tochter Marie und zwei weitere Kinder aus Pauls erster Ehe.

Martin Paul ist 42 Jahre alt und betreibt mehrere Zeitschriften-Geschäfte. Vor sieben Jahren hat er sich in Kiew in die heute 39-jährige Ina Trofymenko verliebt. 2001 zog die Ukrainerin nach Berlin und brachte im Dezember Marie zur Welt. Im Juli 2002 kam Elvira, ihre damals elfjährige Tochter aus erster Ehe, mit einem Touristenvisum nach. Von Elviras Vater ist Ina geschieden, der Vater lebt in Bulgarien, die Adresse ist unbekannt. Und ohne Zustimmung des leiblichen Vaters kann Paul sie auch nicht adoptieren. Mit den vier Kindern lebt die Familie in einer schönen Altbauwohnung in Charlottenburg. „Wir sind glücklich und zufrieden“, sagt Martin Paul. „Alles, was wir wollen, ist, dass uns die Ausländerbehörde in Ruhe lässt.“

Elvira, lange blonde Haare, enge Jeans, Kapuzenpulli, zeigt stolz ihre Zeichnungen und großformatigen Puzzelbilder. „Für ein Puzzle mit 1000 Teilen brauch’ ich einen Tag“, sagt sie lapidar. Sie spielt gerne Klarinette und nimmt Tanzunterricht. Die Lehrer sind begeistert von ihr. Das Mädchen geht in die sechste Klasse der Nehring-Grundschule und hat gerade eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen. „Sie ist neugierig, fleißig und hat in einem Affentempo Deutsch gelernt“, sagt ihre Klassenlehrerin. „Wir können uns keine bessere Schülerin vorstellen.“

Nachdem das Touristenvisum für Elvira abgelaufen war, wurde dreimal eine jeweils drei Monate gültige Duldung ausgesprochen. Eine vierte will das Amt nicht erteilen, weil „dringende humanitäre oder persönliche Gründe“ dafür nicht vorlägen, sagt Engelhard Mazanke, zuständiger Referatsleiter in der Ausländerbehörde. Hans-Georg Lorenz, der Anwalt der Trofymenko-Pauls, hat Klage eingereicht. „Elvira hat einen Anspruch auf eine neue Duldung, weil es in der Ukraine keinen Erziehungsberechtigten gibt“, sagt Lorenz. Die Mutter könne man nicht mit Elvira zusammen zurückschicken, weil sie mit Martin Paul das gemeinsame Sorgerecht für die zweijährige Marie hat. Mazankes Forderung, dass für eine Aufenthaltserlaubnis erwiesen sein muss, dass die Mutter für Elvira finanziell aufkommt, lässt Lorenz nicht gelten. Für den Unterhalt sorgt Martin Paul. Der aber zählt nicht für das Amt, weil er mit Elvira nicht verwandt ist. Aber er ist entschlossen zu kämpfen: „Ich lass mir meine Tochter nicht nehmen.“

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