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"Absolut dramatisch": Jüdische Gemeinde steht vor der Insolvenz

Der Senat fordert von der Jüdischen Gemeinde Berlin eine Rückzahlung von 5,9 Millionen Euro. Damit ist der drohende finanzielle Gau eingetreten.

Die mit 11 000 Mitgliedern größte jüdische Gemeinde in Deutschland ist bilanziell überschuldet. Finanzdezernent Jochen Palenker muss in die Bilanz von 2010 ein Defizit von 35 Millionen Euro einschreiben. Der Grund: Die Gemeinde zahlt ihren Ex-Mitarbeitern seit mindestens 15 Jahren Renten, die über dem im öffentlichen Dienst Üblichen liegen. Vorstand und Gemeindeparlament konnten sich bislang nicht auf Kürzungen der Altersvorsorge für das heutige Personal verständigen.

An den 5,9 Millionen Euro sei nicht zu rütteln, hieß es im Senat. Als Folge der Überschuldung musste die Gemeinde jetzt die Gelder für Clubs und Vereine ihrer Mitglieder und zum Beispiel auch die Förderung des „Jüdischen Filmfestivals” einfrieren. Viele dieser Einrichtungen und Veranstaltungen werden ohne die Gelder nicht überleben können. Der Vorstand ist schon aufgrund der Satzung der Gemeinde gehalten, um nicht zivil- oder strafrechtlich haften zu müssen, jede Ausgabe detailliert zu prüfen. Wenn keine Einigung mit dem Senat und innerhalb der Gemeinde über den Konsolidierungskurs erzielt wird, könnte die Landesregierung gezwungen sein, alle Einrichtungen der Gemeinde selbst zu übernehmen, die nicht direkt mit den Aufgaben der Religionsgemeinschaft zu tun haben oder wie die Gehälter der Lehrer gesetzlich und vertraglich vereinbart sind.

„Die Situation ist absolut dramatisch“, sagt Jochen Palenker. „Wir werden dringend mit dem Finanzsenator sprechen müssen.“ Palenker weist darauf hin, dass in der Rückforderung des Senats 400 000 Euro enthalten sind, die aus dem Jahr 1996 stammen. „Da muss auch im Senat jemand geschlafen haben“, sagt Palenker, die Probleme müssen dort schon sehr lange bekannt gewesen sein, womöglich schon in den 80er Jahren.” Palenker möchte diesen Satz aber nicht als Entschuldigung für die Versäumnisse in der Gemeinde verstanden wissen, wo die Probleme schon seinen Vorgängern bekannt gewesen seien, die aber tatenlos zugesehen hätten.

Die Gemeindevorsitzende Lala Süsskind, Finanzdezernent Palenker und ihre Kollegen aus dem Vorstand der Gemeinde hoffen nun, bis Ende März eine Einigung mit den Vertrauensräten der Mitarbeiter über die Kürzungen der Altersvorsorge erzielen zu können. Ein Mediator sei eingeschaltet. Palenker erwartet dennoch viele Arbeitsrechts-Klagen und fürchtet, dass das Ganze bis vor das Bundesarbeitsgericht gehen werde. Denn dass eine Religionsgemeinschaft in die Insolvenz gerät, gab es noch nie. Deshalb gebe es auch keine Richtlinien und Gesetzesvorschriften, wie in diesem Fall zu verfahren ist, sagt Palenker. Die Mitarbeiter der Gemeinde seien auch nicht wie die Angestellten von Unternehmen über einen Pensionssicherungsfonds abgesichert, der im Falle der Insolvenz eines Unternehmens die Altersvorsorge zahlt. Claudia Keller

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