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Berlin rotiert.

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Berlin: Absturzrunde

Zwei Sorgenkinder unter sich: Der Hertha-Fanstand auf dem Flughafengelände.

Hertha BSC und der Flughafen BER sind jetzt eine Schicksalsgemeinschaft. Beide in der Relegation nach einer vermasselten Saison. Das Zusammenspiel dürftig, die Torausbeute kläglich, die Trainer angeschlagen. Jetzt kämpfen sie um ihr Image, ums Publikum, gegen den Abstieg in die Zweitklassigkeit. Jeder für sich beim Flughafenfest „Rund ums Terminal“.

Die Hertha-Marketingabteilung setzt auf die Klassiker: Torwandschießen, Tischfußball und Glücksraddrehen. Der Glücksradnippel bleibt aber immer wieder am „Lattenkreuz“ hängen. Trostpreis. Die Ausbeute beim Torwandschießen nebenan ist wegen heftiger Seitenböen auch nicht besser. Wer tüchtig bettelt, bekommt auch ohne ein Tor zu erzielen einen kleinen Herthinho geschenkt.

Die Hertha-BSC-Marketingfrau mit der XXL-Sonnenbrille sagt, es gebe ja noch eine „kleine Chance“ für den Klassenerhalt. Ihr Kollege wird da schon deutlicher: „Ich bin echt genervt, wenn wieder einer kommt und auf die ‚Söldnertruppe’ schimpft. Dann krieg ich so einen Hals …“, sagt der Mann und macht auch gleich die entsprechende Geste. „Sieht ja keiner, dass jetzt viele um ihre Jobs bangen bei Hertha, in der Geschäftsstelle, im Marketing.“

Die Fans halten Abstand, wollen keine Tore schießen für Hertha. Gabriele Schwarz aus Spandau findet, Hertha müsste seinen Fans Entschädigung zahlen für die „Spielverweigerung“ der Mannschaft. Und der Flughafen, sollte der den Leuten auch was zahlen? „Das ist ein großer Joke, da kann Wowi aber nix dafür.“ Von Spandau nach Schönefeld hat Frau Schwarz mit ihrer Familie eine Stunde gebraucht, da fahren sie zum Wegfliegen doch lieber weiter nach Tegel.

Am BER-Stand kann man auch Nieten ziehen, beim Gewinnspiel für einen Hubschrauber-Rundflug. Der „Airport-Wegweiser“ wird verteilt, mit wundersamen Fotomontagen eines belebten Flughafens und dem Hinweis, dass die Eröffnung leider verschoben wurde.

Flughafenmitarbeiter erklären geduldig an Holzmodellen, wie der BER später mal funktionieren soll. Zur Veranschaulichung stehen zwei echte Flugzeuge auf dem Vorfeld, bei der Condor-Maschine drehen sich sogar schon die Turbinen – angetrieben von der steifen Nordwestbrise.

Die Marketingabteilungen müssen immer ausbaden, was die operativen Kader – Fußballspieler oder Bauingenieure – versemmelt haben. Ein stetes Anreden gegen den Inkompetenzverdacht. Vor kurzem stand der Marketingchef des Flughafens, Till Bunse, an einer schönen neuen Straße am BER-Zaun und kräuselte die Stirn. Den erlittenen Ansehensverlust zu begrenzen, darum drehe sich jetzt alles in seiner Abteilung. Wie das gehen soll, könne er aber auch noch nicht sagen.

Eigentlich funktioniert das nur mit schnellem Kurzpassspiel und erfolgreichem Torabschluss.

Hertha hat noch 90 Minuten, um den Absturz zu verhindern.

Dem Flughafen bleiben gefühlt noch 90 Tage plus Verlängerung. Thomas Loy

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