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Berlin: Acht Jahre Haft für Mord ohne Motiv

Urteil im Prozess um tödliche Stiche auf einem Friedhof Gericht verzichtete auf Höchststrafe wegen verminderter Steuerungsfähigkeit

Heimtückisch stach Michael K. auf dem Neuköllner Friedhof Lilienthalstraße zu. „Völlig emotionslos“, sagte gestern die Vorsitzende Richterin. Aber weshalb gerade Dagmar P. sterben musste, konnte im Prozess nicht geklärt werden. Die 48-jährige Bezirksamts-Mitarbeiterin wollte auf dem Friedhof fotografieren. Er hatte die Frau noch nie zuvor gesehen. Er sprach sie nicht an, er raubte sie nicht aus. „Wir wissen bis heute nicht, warum er sein Opfer ermordet hat“, hieß es im Urteil des Berliner Landgerichts. Gegen den 21-jährigen K. erging eine Jugendstrafe von acht Jahren und zwei Monaten Haft.

Der Mord auf dem Friedhof war auch den Ermittlern lange Zeit ein Rätsel geblieben. Anderthalb Jahre tappten sie im Dunkeln. Dann stellte sich Michael K. selbst der Polizei. „Ich habe viel nachgedacht, wollte klar Schiff machen“, sagte er im Prozess. Er gab den Richtern zu verstehen, dass ihm der Mord nicht sehr nahe geht. Die Tat auf dem Friedhof war seiner Meinung nach „eine Handlung im Affekt, nachdem ich viel Alkohol getrunken und gekifft habe“.

An jenem Sonntag im Juli 2002 hatte sich der damalige Wehrdienstleistende K. mit Kumpels zu einem Gelage getroffen. Nach seiner Version schlug einer der Männer vor, gemeinsam „jemanden abzuziehen“. „Wir glauben aber nicht, dass er auf dem Friedhof mit einer Gruppe unterwegs war“, sagte dagegen die Richterin. Es sei auch nicht um einen Raub gegangen. Aus unerfindlichen Gründen habe er sich entschlossen, Dagmar P. zu töten. Da war die kunstinteressierte Frau aus Wilmersdorf gerade dabei, Gräber zu fotografieren. Von hinten schlich sich K. an. Er verweilte kurz vor einem Grab, stach dann mit voller Wucht zu. Als sie sich umdrehte, holte er noch einmal aus.

Michael K. war damals 19 Jahre alt und nicht vorbestraft. Ein Jahr vor der Tat war sein Vater und damit seine einzige Bezugsperson gestorben. Der Angeklagte sei ein emotionsloser und schüchterner Mensch, sagte die Richterin. „Er lebte ohne Perspektive vor sich hin.“ Das Gericht ging davon aus, dass K. in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Deshalb wurde nicht die nach dem Jugendstrafrecht mögliche Höchststrafe von zehn Jahren Haft verhängt.

Kerstin Gehrke

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