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Adel berichtet (24): Starke Frauen

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Als ich letzte Woche zum ersten Mal mein orthopädisches Hüftkissen mit in die Morgenkonferenz gebracht habe, da musste ich mir die dümmsten Sprüche anhören. Aber kaum habe ich mir Sonntagabend die Worte „Free Pussy Riot“ in den Baumwollüberzug gestickt, kann ich mir plötzlich aussuchen, von welcher Kollegin ich mir mittags den Obstsalat ausgeben lasse. Dabei sind mir Frauenrechte und Meinungsfreiheit seit Jahren ein Anliegen: Bei Facebook achte ich streng darauf, dass der Frauenanteil in meinem Freundeskreis mindestens bei 60 Prozent liegt, und selbst kritische Wortmeldungen wie der Hinweis, dass das neue Bayern-Trikot in Größe S auf meinem Profilfoto doch etwas spannt, belohne ich mit einem Gefällt-mir-Daumen.

Selbstverständlich also, dass mein Jungdackel Taxi und ich am Mittwoch dabei sind, als die Elektro-Musikerin Peaches im Mauerpark das Video zu ihrem neuen Song aufnimmt, mit dem sie die in Russland angeklagten Kolleginnen von Pussy Riot supportet: eine amtliche Punknummer allererster Güte, die Putin mit dicken Beats derbe auf die Finger hauen wird. Der wird sich das zwei Mal überlegen, wie er in Zukunft mit starken Frauen umgeht!

Taxi und ich sind natürlich perfekt vorbereitet und haben eine kleine Choreo einstudiert, in der wir uns kritisch mit der Rolle der Frau im heutigen Russland auseinandersetzen: Während ich mit Stoffmaske um Peaches herumtanze, lasse ich ein großes Ei aus dem Sakko rutschen, aus dem dann Taxi herausspringt – natürlich mit blonder Perücke, sonst macht die Nummer ja keinen Sinn! Das Kamerateam ist begeistert. Na klar: Ich weiß doch, wie Medien funktionieren ...

Als die Polizei kurz darauf die Versammlung auflöst, weil wir die Kinderyoga-Gruppe „Yogi-Bär“ drei Straßen weiter bei ihren Atemübungen stören, springen Taxi und ich schweißgebadet in den Mietwagen – viel zu aufgeregt, um schon Feierabend zu machen. Ich schaue Taxi an. „Eine Story noch?“ Er nickt.

Eine halbe Stunde später parke ich das Auto bei Möbel Hübner an der Kurfürstenstraße, wo Anwohner ein neues Shoppingcenter verhindern wollen – aus Angst, die benachbarten Prostituierten würden das Parkhaus für berufliche Aktivitäten nutzen. Ist die Sorge berechtigt? Silvana streicht Taxi über den Rücken, der bemerkenswert entspannt wirkt in den letzten Minuten, dann wiegt sie den Kopf: Schwer zu sagen. Ob ich ihr nicht erst mal einen Sekt ausgeben will? Ich seufze. Guter Journalismus ist halt teuer.

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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