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Adel berichtet (31): Herbst der Entscheidungen

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

40 Euro hab ich dem Volontär gegeben, damit er für mich und meinen Jungdackel Taxi zwei Premierenkarten für „Herbst der Entscheidungen“ reserviert, und dann erfahre ich eine Minute vor Veranstaltungsbeginn, dass das gar nicht der neue Film von Bruce Willis ist, sondern nur der neue Maßnahmenkatalog der rot-schwarzen Koalition. Verdammt peinlich, wie Taxi und ich da mit zwei großen Tüten Popcorn und Käse-Nachos auf der Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus sitzen. Doch ich reagiere geistesgegenwärtig: Um Schaden vom Blatt abzuwenden, tue ich so, als seien wir von der Online-Redaktion. Gerade noch mal gut gegangen.

Die 500 Meter zurück zur Redaktion legen Taxi und ich joggend zurück, um uns schon mal auf unsere Teilnahme am Berlin-Marathon am Sonntag vorzubereiten. Die Kollegen meinen ja, ich würde die Sache unterschätzen, aber die haben nicht bemerkt, wie ich seit drei Wochen jeden Morgen in der Konferenz meine Oberschenkel anspanne. 80 Gramm Magermasse habe ich aufgebaut – an jeder Seite! Und selbst wenn wir auf den letzten Metern ein bisschen ins Schwitzen kommen – es ist ja für den guten Zweck. Für jede Minute unter drei Stunden, die Taxi und ich brauchen, spenden wir 100 Euro an die Bürgerinitiative „Asphalt-Atzen e. V.“, die sich der Förderung regionaler Sozialstrukturen durch einen behutsamen Ausbau der A100 auf acht Spuren verschrieben hat. Falls Sie uns anfeuern wollen: Um 9 Uhr ist offizieller Start, und ich hab mir extra noch einen Termin auf 11.30 Uhr gelegt, damit ich genug Druck habe, rechtzeitig fertig zu werden.

Doch vorher wollen Taxi und ich noch mal schnell zur BER-Baustelle, um die Sache mit der dritten Startbahn zu klären. Seit Wochen toben Gerüchte, dass Politik und Flughafengesellschaft bereits heimlich den Bau vorbereiten – ein Nutzer mit dem Namen „Wowi2000“ soll bei Ebay sogar schon ein gebrauchtes Leuchtfeuer ersteigert haben. Doch während die Kollegen tagelang im Katasteramt über staubigen Karteikästen sitzen, mieten Taxi und ich uns einfach einen Sprinter, ziehen uns Latzhosen über und fahren zu den Klängen von „Best of Harald Juhnke“ an der Baustelle vor. Während ich beim Pförtner halte und das Fenster runterlasse, reicht Taxi mir unauffällig das obligatorische Wurstbrötchen. „Tach Chef“, rufe ich und nehme einen großen Bissen. „Foljendes: Ick hab ne Landebahn hinten druff, die müsste jepflegt verlegt wern, wa?“

Der Pförtner schaut mich an. „Hinten links. Einfach neben die andere ...“

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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