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Adel berichtet (8): Harte Schale, weiches Fell

Stefan Stuckmann zeichnet auf, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Als ich gestern Morgen feststellte, dass der Chef meinen Leder-Bürostuhl gegen den alten Plastiktrümmer von der Raucherterrasse getauscht hatte, wusste ich gleich: Das kann nur eine Anspielung auf die BVG sein, die alle neuen U-Bahnen demnächst mit Hartschalensitzen ausstatten will. Mit dem Kickboard fahre ich sofort Richtung U-Bahn-Station, um mich – Recherche ist bekanntlich alles – entgegen meinen sonstigen Beförderungsgewohnheiten unters einfache Volk zu mischen.

Die U 7 ist jene U-Bahnstrecke, mit der Hartz-IV-Familien aus dem zu teuer gewordenen Neukölln in ihre neue Heimat Spandau reisen, und weil das Bier aus den offenen Dosen schlimme Flecken auf Polstern hinterlässt, testet die BVG hier bereits die Plastiksitze. Am Hermannplatz steige ich zu und will meinen Journalistenausweis zeigen, als mir ein halber Cheeseburger ins Gesicht fliegt. Ein Obdachloser hat mich für einen Immobilienmakler gehalten – und das nur, weil ich ein Einstecktuch trage! Ich kann kaum meine Erfrischungstücher herauskramen, da schreit er mich schon wieder an. Ich solle ihm den Cheeseburger zurückgeben, sein Hund wolle den noch essen. Erst jetzt fällt mir der blutjunge Dackel auf, der sich unglücklich jaulend neben ihm windet – auf einem Hartschalensitz!

Spontan entscheide ich, die geplante Doppelseite nicht über BVG-Sitze zu schreiben, sondern über den von Rot-Schwarz geplanten Hundeführerschein. Unauffällig lasse ich meinen Presseausweis verschwinden und stelle mich dem Mann noch einmal vor: Klaus Wallenstein, Hundehalterprüfstelle. Unangekündigter Herrchentest: Wie groß darf ein Hundehaufen höchstens sein, um liegen gelassen werden zu dürfen? Jürgen, so heißt der Mann, tippt auf 12 Kubikzentimeter. Ha, Fangfrage! Was ist der beste Freund des Mannes? Jürgens Antwort: Oskar Lafontaine. (Er behauptet später, ich hätte „der beste Freund des kleinen Mannes“ gesagt.) Geschenkt. Nächste Frage: Am Moritzplatz begegnet Ihnen und Ihrem Hund von rechts ein Fahrradkurier und von links ein Lkw mit dem BMW Guggenheim Lab auf der Ladefläche. Was ist der kürzeste Weg zum nächsten Tierarzt, der an einem Starbucks vorbeiführt?

Als ich fünf Minuten später die U-Bahn verlasse, schauen mich zwei treue Dackelaugen aus meiner Ledertasche an. Um die traumatischen BVG-Erinnerungen des Hundes mit positiven Emotionen zu überschreiben, werde ich ihn „Taxi“ nennen. Es fühlt sich an, als würden wir uns schon ewig kennen ...

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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