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Willkommen in der warmen Stube. Der Direktor des Knoblauchhauses, Dr. Jan Mende, kann viel erzählen über die weihnachtlichen Bräuche im 19. Jahrhundert und die Familie, die hier einst wohnte.

© Mike Wolff

Adventsserie: Es weihnachtet sehr: Biedermeiers Lichterfest

Weihnachten wurde erst im 19. Jahrhundert zur trauten Gemeinschaftsfeier für die ganze Familie. Nussknacker, Tabakspfeife, Zinnfiguren: Im Knoblauchhaus im Nicolaiviertel wird die Tradition erlebbar.

Mit einem Mal wird es lebendig, das kleine, reichlich vergoldete Papiertheater mit seinen bunten Kulissen und den vielen Figuren, die Marie und ihren Bruder Hermann zu Weihnachten in die Welt der Feenschlösser, Hexenhäuschen oder Paläste entführen. Der Vater hat den Salon abgedunkelt, nur an den Seiten der Miniaturbühne und auf den Fensterbrettern des Raumes beleuchten Kerzen die Szenerie. Welch ein Zauber, jetzt, wo sich der Vorhang langsam hebt!

So mag es zugegangen sein, anno 1825 im Wohnhaus der Familie Knoblauch im Berliner Nikolaiviertel. Papiertheater-Aufführungen gehörten zu den Höhepunkten des Festes. Der damals fünfjährige Hermann und seine zwei Jahre ältere Schwester warteten gespannt darauf. Die Geschenke? Püppchen wie jenes mit den schleifengeschmückten Korkenzieherlocken. Oder die in Zinn gegossene leichte Reiterei der preußischen Husaren, die Hermann über den Tisch galoppieren lassen konnte, während Vater Carl im Ohrensessel an seiner langen Tabakspfeife zog.

Die Präsente kann man noch sehen. Sie liegen unter Glas in einer Vitrine des „Museums Knoblauchhaus“ in Mitte, Poststraße 23. Wer durch die schmale hölzerne Eingangstür tritt, erlebt, wie die Bürger Berlins vor mehr als 180 Jahren wohnten. Es ist das einzige komplett erhaltene und original eingerichtete Biedermeier-Haus Berlins. „Bei Biedermeier denken viele nur an die Flucht ins Private, in eine Spießerwelt, wie sie Carl Spitzweg karikiert hat“, sagt Jan Mende, Historiker und Kurator des Knoblauchhauses. Wichtige Impulse der Zeit würden dabei übersehen. Vor allem, dass zwischen den Befreiungskriegen 1815 und der Märzrevolution 1848 das Familienleben „mehr Tiefgang bekam, intensiver wurde“. Die aufstrebenden Bürgerfamilien Berlins entdeckten bei Kerzenschimmer die Gemütlichkeit, die Hausmusik und den Wert geselliger Feste und Rituale. Und sie nahmen die Kinder „erstmals so richtig ernst“, sagt Mende. Kindheit sollte von Spielen und Lernen geprägt sein. Erst im Biedermeier entwickelte sich die Tradition der Familienweihnacht mit Liedersingen, Lichterglanz und Bescherung. Im einstigen Heim der Knoblauchs wird das alles wieder lebendig.

Gebaut wurde das von einem Fries mit Weinreben geschmückte Eckhaus an der Nikolaikirche 1761 von Johann Christian Knoblauch. Im Parterre betrieb er eine Tuch- und Seidenhandlung. Fast 170 Jahre lang bewohnten mehrere Generationen der Familie das Haus, bis es 1929 verkauft wurde. Seit der Sanierung 1989 ist das Gebäude ein Museum, heute gehört es zur Stiftung Stadtmuseum.

Jan Mende führt die schmale Stiege hinauf. Die Bibliothek wirkt wie ein Refugium, auf dem Tisch die „Vossische Zeitung“, dahinter ein Sessel, eine hell furnierte Buchvitrine, an den Fenstern leichte Stoffvorhänge. Nebenan die Wohnstube, möbliert mit zierlichen Kommoden, Sekretär und Piano, einem Nähtischchen. Mende liebt „schlichte Eleganz, den Sinn für Familie“. Sogar ein Minisessel steht in der Ecke, extra gebaut für Kinder. Daneben bleckt ein hüfthoher Nussknacker die Zähne. Die Holzfigur wurde dem Museum wie das meiste Mobiliar von den Nachfahren der Familie überlassen. Etliches stammt aus den Tagen des Seidenwarenhändlers Carl Knoblauch. Er lebte hier mit seinen Kindern Marie und Hermann. Seine Frau Henriette starb 1821, ein Jahr nach der Geburt des Jungen.

Heiligabend kam viel Verwandtschaft ins Haus. Marie und Hermann mussten sich aber länger gedulden als die Kinder heutzutage: Bescherung war damals erst am Morgen des ersten Feiertages. Vermutlich kannten sie auch noch keinen geschmückten Weihnachtsbaum. Stattdessen stand neben dem Gabentisch die im Biedermeier noch übliche Weihnachtspyramide, ein mit grünem Flitter umwundenes Holzgestell. Die Standuhr tickte, der Kachelofen bullerte, Kerzen flackerten in den Fenstern und in gläsernen Lüstern an der Decke. Es schmeckten die Pfefferkuchen und Zuckernüsse von der „Pfefferkuchenbude“ , Breite Straße 8, die alljährlich für ihre „weihnachtliche Wiegeware“ in den Berlinischen Nachrichten warb.

Vielleicht hatten Marie und Hermann tags zuvor schon einen der Weihnachtsbasare besucht, etwa jenen der Gebrüder Gropius Unter den Linden. Bilder in Guckkästen konnte man dort bestaunen. Davor standen Gassenjungs und lärmten mit ihren Ratschen, den „Waldteufeln“, zum weihnachtlichen Markttrubel. „Walddeibel, Walddeibel, kooft unsere Kerzen!“

Öffnungszeiten des Museumsgebäude im Nicolaiviertel: mittwochs von 12 bis 20 Uhr, an den anderen Tagen (außer Montag) von 10 bis 18 Uhr.

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