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Künftig im Abgeordnetenhaus? Berlins AfD-Landesvorsitzende Beatrix von Storch.

© Julian Stratenschulte/dpa

AFD in Berlin: Keine Angst vor der AfD!

Heute beschließt die Berliner AfD ihr Wahlprogramm, mit dem sie ins Abgeordnetenhaus will. Ein Grund zur Panik? Nein, meint unser Autor: Im Zweifel scheitern die Hobby-Politiker an der Normalität.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Untergang des Abendlandes sind sie nicht. Und sie werden es auch nicht, die Hobby-Politiker von der AfD, auch wenn diese Partei der Enttäuschten und Entrechteten, der Nostalgiker und Islamophoben, der angstbesetzten Deutschtümler und Europahasser am 18. September nicht nur ins Abgeordnetenhaus, sondern auch in die Berliner Bezirksparlamente einziehen sollten - wofür sie an diesem Wochenende ihr Wahlprogramm beschließen.

Momentan sieht alles danach aus, dass man in der nächsten Legislaturperiode mit ihnen rechnen muss. Neun Prozent in den Umfragen, das könnte sogar bedeuten, dass die Alternative für Deutschland (schon dieser Name!) in dem einen oder anderen Bezirk einen Stadtrat stellen darf. Vielleicht für das neue Ressort Sicherheit, Ordnung und Rückführung ins Morgenland.

Anfällig für eine solche Neufärbung des kommunalpolitischen Lebens könnten, ohne diesen tollen Bezirken etwas Schlechtes nachzusagen, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln, Lichtenberg und Treptow-Köpenick sein. Warten wir einfach ab, wohin uns des Wählers Wille führen wird. Jeder kriegt, was er verdient, auch der Stadtstaat Berlin bei den kommenden Wahlen. Und am Ende gilt auch hier an der Spree das kölsche Grundgesetz: 1. Et es wie et es! 2. Et kütt wie et kütt! 3. Et hät noch immer jot jejange!

Auch die AfD muss sich an ihrer politischen Arbeit messen lassen

Die AfD im Landesparlament und in den Bezirksverordnetenversammlungen – na und? Dann muss man mit denen eben reden, in den demokratischen Gremien. Sie kriegen kleine Aufgaben zugeteilt, vielleicht sogar den einen oder anderen Posten. Das Schlimmste, was passieren kann, wäre, dass die anderen Parteien hyperventilierend die Verteufelungsmaschine anwerfen, statt ihrer normalen politischen Arbeit nachzugehen. Denn genau da sind die Teutsch-Alternativen am besten zu packen! Wenn es an die Arbeit geht, wenn Ideen gefragt sind, wenn verwaltet und gestaltet werden muss. Da müssen auch Neu-Parteien erst einmal ihre Hausaufgaben machen.

Erfahrungsgemäß sind sie dabei nicht besonders gut. In den Bezirken, wo eine Partei schon mit drei Prozent der Stimmen in die Bezirksverordnetenversammlung einzieht, hatten wir schon so manchen Kessel Buntes. Frischen wir die Erinnerung auf: 2011 eroberten die Piraten 56 Mandate in den Bezirken. In Friedrichshain-Kreuzberg stand ihnen eigentlich ein Stadtratsposten zu, den sie aber mangels Personal sausen lassen mussten. Die NPD gewann sechs Bezirksmandate, was ist denn aus denen geworden? Und 2006 mischten noch Graue, WASGler (bitte googeln) und Republikaner in der bezirklichen Politik mit.

Ein erster AfD-Stadtrat?

Das führte jedesmal zu einer gewissen Unübersichtlichkeit, aber an den demokratischen Grundfesten hat noch keiner wirklich gerüttelt. Sollte das doch einmal ernsthaft passieren, holen wir eh die Polizei. Doch wahrscheinlich werden auch die AfDler, jedenfalls die meisten, orientierungslos durch die Rathausflure schlappen, gelegentlich wilde Reden halten und ihre Zeit damit verbringen, Anträge für den Papierkorb zu schreiben. Alles andere wäre – neu.

Lassen wir sie machen, und halten prinzipienfest, aber kühl und freundlich gegen. Selbst wenn im Winter der erste AfD-Stadtrat über die Sonnenallee spazieren sollte. „Gestatten, Sikorski, ab heute wird an der Dönerbude nur noch deutsch gesprochen!“ Dann lachen wir herzlich und sagen: Sikorski, geh’ deiner Wege und kümmer dich ab sofort um die wichtigen Sachen. Und wenn du das nicht hinkriegst, wirste wieder abgewählt. So einfach ist Demokratie. Und so schwierig für die, die Politik machen.

Auch die Sektion der Vierten Internationale tritt zur Wahl an

Das Wichtigste ist, entspannt zu bleiben in einer Stadt, in der immer noch die Sektion der Vierten Internationale zur Wahl antritt und früher, als alles noch komischer war, die Anarchistische Pogo-Partei nicht zuletzt an Kreuzberger Theken für eine Belebung der etablierten Politikkultur sorgte. Ja, sie alle haben das Recht, mit den rosarotgrünschwarzen Langeweilern, die seit Jahrtausenden miteinander auswürfeln, was Politik zu sein hat, in den demokratischen Wettbewerb zu treten. Auch die AfD.

Dieser Text erschien zunächst als Rant in unserer gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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