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Zuversichtlich oder ums Wahlergebnis besorgt? Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller vor und auf einem Wahlplakat.

© Sophia Kembowski/dpa

AfD-Nazi-Vergleich vor Berlin-Wahl: Michael Müllers gefährlicher Alarmismus

Aus Sorge um das Wahlergebnis für seine SPD greift der Regierende Bürgermeister zu einem untauglichen Mittel: der Verunglimpfung der AfD-Wähler. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Und die Spitze der Berliner SPD hat Angst. Angst vor einem Wahlergebnis von 21 bis 24 Prozent, mit dem sie sich gerade noch als stärkste Kraft behaupten würde, das aber im Vergleich zur früheren Wahlen erbärmlich schlecht wäre. Deshalb hat der Regierende Bürgermeister und SPD-Vorsitzende Michael Müller zu einem ungewöhnlichen Mittel gegriffen: Er nutzte seinen Facebook-Account nicht etwa zu einem flammenden Appell, am Sonntag sozialdemokratische Kandidaten zu wählen, sondern warnte alarmistisch vor einem Wahlerfolg der AfD. Und stellte damit einen Zusammenhang her zwischen dem schwindenden Einfluss der SPD und einem steigenden der rechten AfD. Was vermutlich ungewollt war, ist unbedacht.

Denn wenn man Müllers Text liest, könnte man auf den Gedanken kommen, braune Horden stünden vor den Toren der Stadt und seien am Sonntag ab 18 Uhr bereit zum Einmarsch durch das Brandenburger Tor. Die „Nazis besetzen das Symbol der Freiheit, das Brandenburger Tor“ schreibt er – und fasst damit die AfD und die rechtsextreme Bewegung der Identitären zusammen.

Deren Anhänger demonstrierten tatsächlich unlängst auf dem Tor. Aber Michael Müller droht eben auch, zehn bis 14 Prozent AfD würden auf der ganzen Welt als „Zeichen des Wiederaufstiegs der Rechten und Nazis in Deutschland gewertet werden“ – und das in Berlin, nicht irgendeiner Stadt, sondern der, die sich „von der Hauptstadt Adolf Hitlers und Nazideutschlands“ zum Symbol der Freiheit entwickelt hat.

Nun war Berlin nie die „Hauptstadt Adolf Hitlers“. Da irrt Müller. Die Arbeiterstadt hatte sich sogar als ziemlich widerstandsfähig gegen die Nazis erwiesen. Wer aber, nur um das eigene Wählerpotential zu mobilisieren, AfD-Wähler in die Nähe der Nazis rückt, macht dann eben einen nahezu verhängnisvollen Fehler.

Die Beweggründe der AfD-Wähler sind inzwischen durchleuchtet. Viele fühlen sich von den klassischen Parteien missachtet, abgehängt, kaputten Strukturen ausgeliefert. Mecklenburg-Vorpommern hat es gerade wieder gezeigt: Geschlossene Schulen, ausgedünnte Verwaltungszentren, kein Arzt im Ort, keine Arbeit, Landflucht – da wird die AfD vorwiegend gewählt. Es ist klassische SPD-Wählerschicht, kleine Leute, die sich aus Angst, alles zu verlieren und nicht gehört zu werden, von der SPD abwenden und Zuflucht bei der AfD suchen.

SPD stellt auch CDU außerhalb des demokratischen Parteienbogens

Ans Heuchlerische grenzt, wenn Müller empört ausruft, er sei es leid, dass man „Rassismus, Intoleranz und Menschenfeindlichkeit nicht mehr benennen kann, ohne dass einem die Nazikeule vorgeworfen wird“. Auch hier irrt der Regierende Bürgermeister. All das darf, soll er verurteilen, wie jeder aufrechte Demokrat. Nur: Solche Etiketten allen AfD-Wählern anzuheften, wie er es tut, ist zu durchsichtig. Wahlkampfmanager Frank Stauss verstärkt das noch, wenn er vor der angeblichen Mobilisierungskraft der „Berliner Stahlhelm-CDU“ warnt. Damit stellt die SPD-Spitze auch ihren jetzigen Koalitionspartner letztlich außerhalb des demokratischen Parteienbogens.

Der von Michael Müller geführte Senat aus SPD und CDU hat in Umfragen die geringsten Zufriedenheitswerte aller Landesregierungen. An der AfD liegt das nicht. Da sollten besser jene in den Spiegel schauen, denen, in letzter Minute, jedes Mittel der Mobilisierung recht ist.

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