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Berlin: Afrika um die Ecke

Von Henning Kraudzun Früher mussten Djeli die Trommeln bearbeiten und dazu singen, wollten sie Neuigkeiten unter die Leute bringen. Im westafrikanischen Volksstamm der Mandingue waren sie auf Hochzeiten oder Totenfeiern für Infos und Tratsch zuständig.

Von Henning Kraudzun

Früher mussten Djeli die Trommeln bearbeiten und dazu singen, wollten sie Neuigkeiten unter die Leute bringen. Im westafrikanischen Volksstamm der Mandingue waren sie auf Hochzeiten oder Totenfeiern für Infos und Tratsch zuständig. Heute läuft das alles moderner ab. Der Geist der Djeli ist längst auf eine Zeitschrift übergegangen – mit dem Computer layoutet und farbig gedruckt. Von Berlin aus soll „Djeli“, das Magazin, einen Weg in die afrikanische Kultur weisen.

Einen besseren Zeitpunkt für das Erscheinen der ersten Ausgabe im vergangenen Jahr hätte sich Moctar Kamara, Herausgeber und Chefredakteur, kaum wählen können. Pünktlich zum Karneval der Kulturen erschien das Erstlingsheft, das auch als Leitfaden für viele Darbietungen auf dem Straßenfestival diente. Jetzt feiert er mit der zehnten Ausgabe das einjähriges Jubiläum des Magazins. Nach Anlaufschwierigkeiten wird es mittlerweile deutschlandweit vertrieben.

Der afrikanischen Musikszene räumt Kamara in jedem Heft den größten Platz ein. Neben internationalen Stars werden unbekannte Musiker porträtiert, Reportagen über Afro-Events geschrieben, CDs rezensiert und Kulturhinweise gegeben. Zahlreichen Vereinen und Initiativen bietet er ein Podium: Entwicklungsprojekten, Freundeskreisen und Integrationsvorhaben. Das Magazin findet immer mehr deutsche Leser. Und damit der schwarze Kontinent für sie keine weiße Landkarte bleibt, werden die geografischen Kenntnisse auf zwei „Djeli“–Seiten aufgefrischt. Dort stellt Kamara jeweils ein anderes afrikanisches Land vor.

Längst erfüllt „Djeli“ den Anspruch, ein Sprachrohr für die afrikanische Gemeinschaft in Berlin zu sein. Offiziell leben 18000 Afrikaner in der Stadt, Schätzungen gehen von über 30000 aus. Die schwer überschaubaren Aktivitäten der unterschiedlichen Volksgruppen werden im „Djeli“ auf wenigen Seiten gebündelt und eine Vermittlung zwischen den Kulturen gesucht. Dabei muss sich Kamara Monat für Monat strecken, um die Herstellungskosten für die Zeitschrift aufzutreiben. „Es wird immer schwieriger, Anzeigen zu bekommen“, sagt er.

Schulterklopfen von allen Seiten hält die Idee eines Afro-Magazins aus Berlin am Leben. „Es ist ja eine andere Art von Journalismus, niemals professionell, aber dafür aufrichtig“, sagt Kamara und lacht. Diese unbefangene Art, ein Heft zu machen, findet immer mehr Zuspruch. Einige Botschafter afrikanischer Staaten haben sich für sein Engagement bedankt, Politiker bekunden Wohlwollen, auch die DJ-Ikone Jimmy Bamba vom Radio „Multikulti“ unterstützt seine Arbeit.

Wie der polyglotte Musikstar und Schauspieler Bamba, der den Begriff „Worldmusic“ als einer der ersten DJs prägte, zog der studierte Philosoph Kamara auch aus Paris nach Berlin. Fast wehleidig klingt er, wenn er über die Zeit in der Seinemetropole spricht: „Es gibt in Paris eine Fülle an afrikanischer Kultur wie sonst nirgendwo.“ Jedoch so schnell, wie Kamara eine Sehnsucht nach Paris beschleicht, verfliegt diese auch wieder: „Ich wohne jetzt sechs Jahre in Berlin und habe niemals den Umzug bereut.“

Ausgehend vom „Wagadu“, seinem Musikladen in der Neuköllner Pannierstraße, erschloss sich Kamara die Afro-Kultur in Berlin, fand über die „Begeisterung für Musik jene Motivation, ein eigenes Magazin zu machen“. Er organisiert Konzerte, gibt seine Erfahrungen mit Behörden an afrikanische Asylsuchende weiter. Längst gilt er als zentrale Figur der afrikanischen Kulturszene. Nur das Singen und Trommeln kann er sich sparen, um den Geist der „Djeli“ zu erhalten. Heute reicht ein Klick mit der Maus.

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