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Berlin: Aids wird nicht mehr als Bedrohung empfunden

Sie sind allgegenwärtig, ihre Slogans ähneln sich. Ob "2000 - Kommt gut rein" oder "Lust, aber sicher", immer sind die Plakate der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit Kondomen garniert.

Sie sind allgegenwärtig, ihre Slogans ähneln sich. Ob "2000 - Kommt gut rein" oder "Lust, aber sicher", immer sind die Plakate der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit Kondomen garniert. Allein, die Botschaft wird immer weniger gehört. "Es macht sich eine gewissen Präventionsmüdigkeit breit", sagt Armin Traute, fachlicher Leiter der Berliner Aids-Hilfe.

Sein Gradmesser sind Statistiken: Die Zahl der Aids-Toten hat Dank neuer Medikamente rasant abgenommen, aber die Neuinfektionen verbleiben auf einem hohen Niveau. Infizierten sich vor zehn Jahren nur 14 Prozent heterosexueller Frauen, liegt ihr Anteil heute schon bei 24 Prozent. "Vor allem Frauen in der Altersgruppe zwischen 40 und 55 Jahren sind darunter", berichtet Traute. Für sie, wie für Jugendliche, sind die Ursachen identisch: Aids gilt nicht als Bedrohung.

Durch die Aufklärungsarbeit in Vereinen und Schulen wissen die Mitarbeiter der Aids-Hilfe, dass Jugendliche glauben, Aids sei ein Generationsproblem. Sie geben vor, Sex nur mit Gleichaltrigen zu haben und gehen davon aus, dass sie sich mit HIV nicht infizieren können. Frauen wiederum ließen sich zunehmend auf waghalsige Abenteuer vor allem im Urlaub ein, weil Aids, so Armin Traute, nach wie vor als eine Krankheit von Randgruppen angesehen werde.

Aber auch unter der Haupt-Betroffenengruppe, den homosexuellen Männern, nimmt die Bereitschaft zu Safer Sex ab. "Seit 15 Jahren haben sich die Kampagnen nicht geändert. Viele können das nicht mehr hören", sagt Traute. Aber auch der Irrglaube, Aids sei wegen der neuen Medikamente behandelbar, ist weit verbreitet.

In dieses Bild passen auch die Anhänger sogenannter "bareback"-Praktiken. Hinter der Bezeichnung verbirgt sich nichts anderes als der Sex ohne Kondom, zu dem sich die Partner bewusst entscheiden. Man findet sich vor allem im Internet. In der Anonymität der Chat-Räume sind entsprechende Angebote nicht selten. Der Fachmann kommentiert: "Russisches Roulette." Auch wenn sich vor allem Männer unter entsprechenden Vorzeichen treffen, die HIV-positiv sind, "die Gefahr, sich mit Mutationen und resistenten HIV-Viren zu infizieren, ist hoch", so Traute. Der Anteil HIV-negativer Männer, die willens das Risiko eingehen, sei hingegen verschwindend gering. Für ihn sind die vereinzelt stattfindenden "bareback"-Partys noch eine Randerscheinung.

Um die Bereitschaft zu Safer Sex wieder zu verbessern, verlangt Armin Traute Kampagnen. Die Botschaft sollte klar sein: Aids kann immer noch tödlich sein. "Die Leute müssen wieder schockiert werden."

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