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Transparenz beim BER: keine einfache Gechichte

© dapd

Akteneinsicht BER: Eine schwere Prüfung

Der Flughafen Berlin-Brandenburg wird mit Steuergeldern finanziert, die Dokumentation des Projekts ist von öffentlichem Interesse. Das Informationsfreiheitsgesetz soll genau solche Vorgänge transparent machen – doch die zuständigen Behörden lassen Anfragen im Sand verlaufen. Protokoll einer unendlichen Geschichte.

Anfang Mai haben wir in der Redaktion ans Feiern gedacht. Zumindest an die Planung, wie wir über die feierliche Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER berichten wollen. Sonderseiten wurden vorbereitet, eine ganz Nacht wollten wir online berichten. Dann kam der 8. Mai, ein Dienstag. Der Tag der Absage. Und wir schalteten prompt um, vom Feier- in den Aufarbeitungsmodus. Was waren die Gründe für die Absage? Und warum kam sie so kurzfristig?

Schnell waren wir bei der zentralen Frage: Wer wusste wann was? Ich habe mich als Redakteur im Parlamentsbüro des Tagesspiegels mit diesen Fragen befasst. Mir war klar, dass es auf eben diese Frage so schnell und vor allem so eindeutig wohl keine Antwort geben würde. Natürlich fragte ich mich trotzdem, wie ich möglichst viel erfahren könnte: Ob es zum Beispiel Insider gibt, die mir Auskunft geben könnten; oder Whistleblower, die mir, dem Journalisten, im Geheimen vertrauliche Dokumente zur Verfügung stellen, um Missstände nach außen zu tragen.

Dann fiel mir noch ein anderer Weg ein – einer, der von Journalisten bisher eher selten beschritten wird: Handelt es sich beim Flughafen nicht um ein öffentlich finanziertes Infrastrukturprojekt, an dem der Bund und zwei Länder als Gesellschafter fungieren? Sitzen nicht Vertreter dieser drei Gesellschafter im BER-Aufsichtsrat? Berichte, Unterlagen und Dokumente zu diesem Vorgang sind von hohem öffentlichen Interesse – dafür gibt es doch seit 2006 das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das genau solche Vorgänge für die Öffentlichkeit transparent machen soll. Also startete ich den Versuch, mithilfe dieses Gesetzes an die Dokumente zu kommen. Der Beginn einer unendlichen Geschichte.

11. Mai ANTRAGSTELLUNG

Ich stelle Anträge auf Akteneinsicht an die Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Finanzen und die Senatskanzlei. Auch das Bundesfinanzministerium und das Bundesverkehrsministerium bekommen diese Anträge. Darin heißt es unter anderem: Der Antrag auf Akteneinsicht richtet sich auf die fortlaufenden Controllingberichte der Flughafengesellschaft und der Flughafengeschäftsführung, inklusive der Berichte aus der sogenannten Montagsrunde und der Projektsteuerungsrunde.“ Und weiter: „Falls eine Akteneinsicht nicht möglich sein sollte, so beantrage ich Übersendung von bzw. Einsicht in Kopien der Dokumente ... Ich stütze meinen Anspruch auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes beziehungsweise Berlins sowie, hilfsweise, auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch.“

14. Mai EINGANGSBESTÄTIGUNG

Zunächst geht es recht flott. Schon drei Tage später kommen die ersten Eingangsbestätigungen: von der Senatsverwaltung für Inneres und dem Bundesfinanzministerium. Letzteres teilt mir aber gleich mit, dass die Prüfung meines Antrags „wegen der Beteiligung Dritter (§ 8 IFG) noch einige Zeit dauern wird und deshalb die in § 7 Abs. 5 IFG genannte Monatsfrist voraussichtlich nicht eingehalten werden kann“.

"Ihnen steht kein Anspruch auf Akteneinsicht zu"

16. Mai EIN ERSTES ERFOLGSERLEBNIS

Meine Anfrage hat nun immerhin ein Aktenzeichen – beim Bundesverkehrsministerium: „Z 20/2618.6/2-142 IFG (Controllingberichte FBB)“. In dem Schreiben werde ich darauf hingewiesen, dass möglicherweise Belange Dritter berührt sein könnten. Und ich werde aufgefordert, meine Angaben zu konkretisieren.

25. Mai ANTWORT AUS DER SENATSKANZLEI

Zunächst entschuldigt sich Senatssprecher Richard Meng für die späte Antwort, dann folgt sein Hinweis, dass er auch gleich für die Häuser Inneres und Finanzen spreche. Presserechtlich, so Meng, sehe er für mich kein Einsichtsrecht in die Dokumente. Aber hinsichtlich des „Einsichtsrechts nach dem Informationsfreiheitsgesetz“ sei eine Prüfung eingeleitet worden. Immerhin, denke ich. Warum das presserechtlich nicht geht, frage ich mich zwar, verfolge aber die Spur erst einmal nicht weiter. Dann ist Sommer. Im Juni herrscht bei allen Beteiligten Funkstille.

4. Juli POST VOM VERKEHRSMINISTERIUM

Höflich, das muss man sagen, sind sie alle. Auch hier kommt erst mal eine Entschuldigung: „Das für die Bearbeitung zuständige Fachreferat ist derzeit – zusätzlich zum regulären Tagesgeschäft – mit zahlreichen Anfragen aus dem politischen Raum sowie der Vor- und Nachbereitung von Aufsichtsratssitzungen besonders ausgelastet. Vor diesem Hintergrund musste die Bearbeitung Ihrer Anfrage leider bislang zurückgestellt werden.“ Noch einmal werde ich aufgefordert, „zeitnah“ meinen Antrag zu konkretisieren. Mist, denke ich, das muss ich machen. Aber bevor ich dazu komme, scheint das Referat dann doch nicht mehr so stark beansprucht zu sein.

31. Juli DIE ERSTE ABSAGE

Mein Antrag auf Akteneinsicht wird vom Bundesverkehrsministerium abgelehnt. „Ihnen steht insgesamt kein Anspruch auf Akteneinsicht zu“, heißt es unter „2. Rechtliche Würdigung“. In einem vierseitigen Schreiben wird auch erläutert, warum. Der Begriff „Montags- und Projektsteuerungsrunde“ sei zu unkonkret. Das stimmt, denke ich mir und ärgere mich. „Controllingbericht“ ist dagegen als Kennzeichnung recht eindeutig. Doch auch das hilft nichts. „Ein Anspruch auf Akteneinsicht in Controllingberichte besteht aufgrund der Ausnahmetatbestände des § 3 Nummer 4 IFG i.V.m. (in Verbindung mit) § 395 AktG (Aktiengesetz) und des § 6 Satz 2 IFG nicht“. Uff.

Jetzt ist Zeit für einen Jura-Crashkurs. Im weiteren Verlauf des Schreibens werden die Paragrafen und Begründungen der Absage erläutert. Kurz gesagt beziehen sie sich vor allem auf die Wahrung von „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“. Interessant ist folgende Erläuterung: „Die Controllingberichte enthalten unternehmensinterne Daten und Informationen, die den allgemeinen Geschäftsverkehr in Bezug auf den laufenden Betrieb der beiden von der FBB betriebenen Flughäfen sowie die Planung und Fertigstellung des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) betreffen. Damit beziehen sich die Berichte auf den wirtschaftlichen Geschäftsbereich des FBB“. Verdammt, denke ich mir, genau deshalb hat doch die Öffentlichkeit, habe ich als Bürger und Journalist doch ein Interesse an einer Einsicht.

Es wird aber noch besser. „Lediglich die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat erhalten Kenntnis vom Inhalt der Controllingberichte und sind damit nicht jedermann zugänglich oder leicht für Dritte einsehbar.“ Na, wenn das so ist, dann geht es die Öffentlichkeit natürlich nichts an, was mit nunmehr vier Milliarden Euro öffentlicher Gelder passiert... Es geht in der Argumentation des Ministeriums um den Wettbewerb und mögliche Nachteile, die durch eine Weitergabe der Informationen entstehen können. Man argumentiert, eine Kenntnisnahme der Controllingberichte durch Dritte würde die Stellung des Unternehmens im Wettbewerb schmälern sowie eine bisher nicht absehbare besondere Gefahr von wirtschaftlichen Schäden für die FBB befürchten lassen“. Soll das heißen, meine Akteneinsicht ist ökonomisch am Ende möglicherweise gefährlicher für den Flughafen als die x-te Verschiebung?

Auch der Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit, Peter Schaar, dem die Antwort des Ministeriums vorliegt, sieht Überprüfungsbedarf. Rechtlich, so seine Behörde, sei vieles an der Argumentation korrekt. Aber es offenbare eben die Schwächen des Gesetzes. Insbesondere sei fraglich, ob einer der mutmaßlich spannendsten Controllingberichte wirklich komplett als „VS – vertraulich“ eingestuft werden musste, die drittgeheimste Kategorie – und damit eine amtlich geheim zu haltende Verschlusssache ist.

Ich werde in dem Schreiben des Ministeriums noch belehrt, dass ich schriftlich Widerspruch einlegen könne – innerhalb eines Monats. Doch meine Motivation schwindet. Ich bin fast ein wenig beruhigt, denn eine Konkretisierung meines Antrags hätte wohl kaum die „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ gelüftet.

Letzte Ausfahrt Berlin

17. August BERLIN MELDET SICH

Nach der Abfuhr aus dem Bundesverkehrsministerium bleiben noch das Finanzministerium und Berlin. Von der Senatskanzlei werde ich, wie zuvor schon vom Verkehrsministerium, aufgefordert, meine Anfrage bezüglich der Dokumente zu konkretisieren. Diesmal halte ich mich dran.

21. August MEINE ANTWORT

„Es geht um die Einsicht in die Controllingberichte, die dem Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft in diesem Jahr zugegangen sind. Außerdem um Protokolle der Sitzungen des Aufsichtsrates und des Projektausschusses. Hierbei handelt es sich um Informationen von hohem öffentlichem Interesse, da der Flughafen ein zum größten Teil öffentlich, insbesondere vom Land Berlin finanziertes Infrastrukturprojekt ist“, schreibe ich der Senatsverwaltung.

24. August DIE NÄCHSTE ABSAGE

Nach dem Bundesverkehrsministerium folgt nun auch das Finanzministerium mit einer Absage und beruft sich auf die Argumentation des Verkehrsministeriums. Letzte Ausfahrt also: Berlin.

13. September BERLIN ANTWORTET

Knapp einen Monat nach meiner „Konkretisierung“ kommt wieder ein Schreiben aus der Senatskanzlei – diesmal ohne Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat. Jetzt wolle man prüfen, heißt es, ob Belange Dritter berührt würden. Na klar werden sie das. Und ich weiß auch schon, wie die ominösen Dritten reagieren werden, denke ich. Die Prüfung läuft, läuft und läuft.

18. Oktober MAL NACHHAKEN

Sie läuft immer noch, die Prüfung der Belange von Dritten. Mittlerweile ist die Eröffnung des Flughafens erneut verschoben. Am 18. Oktober hake ich nach, per E-Mail und schriftlich. Was denn diese Prüfung nun ergeben hätte, will ich wissen. Bisher wohl nichts. Eine Antwort steht bis heute aus.

27. Oktober ENDE GEWISS UNGEWISS

Noch ist nicht klar, was Berlin zu meinem Antrag sagt. Zieht man in Betracht, wie – nun ja – offenherzig man dem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses Unterlagen zur Verfügung stellt, kann ich mir schon vorstellen, wie die „Prüfung der Belange Dritter“ ausfallen wird.

Vorläufiges Fazit: Es ist kompliziert. Für normale Bürger ohne journalistischen Hintergrund oder juristischen Sachverstand, für die also, für die das IFG eigentlich gemacht ist, wird das Durchfechten eines Antrags zu einem heiklen Unterfangen. Und manchmal auch zu einem kostspieligen: Denn auch wenn es mir hier nicht passiert ist – in anderen Fällen wurden den Anfragern schon mal Verwaltungskosten im höheren dreistelligen Euro-Bereich in Rechnung gestellt. Die Strategie der Ministerien und Behörden ist klar: verzögern, verschleppen, vernebeln, Hürden einziehen, Zugang erschweren. Man kann den Verantwortlichen wohl keinen Gesetzesbruch vorwerfen. Im Gegenteil. Sie berufen sich Buchstabe für Buchstabe auf das Wort des Gesetzes. Seinen Geist aber atmen sie nicht.

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