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Berlin: Aktenzeichen aufgeschoben

Die Verlegung des Prozesses gegen die Aubis-Manager Wienhold und Neuling stößt im Abgeordnetenhaus auf Kritik

Heute hätte er losgehen können, der Prozess gegen die Aubis-Manager Christian Neuling und Klaus Wienhold. Doch weil die zuständige Wirtschaftskammer am Berliner Landgericht überlastet ist, hat man den Auftakt auf unbestimmte Zeit verschoben. Das hat im Abgeordnetenhaus jetzt heftige Kritik ausgelöst. „Skandalös“, „unzumutbar“ und „unerträglich“, nennt Michael Braun, Rechtsexperte der CDU-Fraktion, den Aufschub. Wolfgang Wieland (Bündnisgrüne) sagt, dass der Engpass bei den Wirtschaftsstrafsachen „seit Jahr und Tag“ bekannt sei: „Da hätte man längst organisatorisch Abhilfe schaffen können.“

Aus dem Landgericht hört man hingegen eher resignierte Töne. Dass vor allem bei Wirtschaftsstrafsachen zwischen Anklageerhebung und Prozessauftakt Monate vergehen, sei leider „nicht ungewöhnlich“, sagt Vera Junker von der Vereinigung der Berliner Staatsanwälte, und „sehr unbefriedigend“. Denn wenn sich ein Verfahren ewig in die Länge ziehe, falle das Strafmaß niedriger aus. „Am Ende hat das Strafmaß nichts mehr mit dem Unrechtsgehalt der damaligen Tat zu tun.“

Es gibt eine Priorität, die die Richter bei ihrer Planung befolgen müssen: Haftsachen gehen vor. Doch die Aubis-Manager Neuling (59) und Wienhold (53) sind auf freiem Fuß, seitdem sie im vergangenen April eine Kaution hinterlegt haben. Jeweils 500 000 Euro sollen die Geschäftsmänner davon abhalten, sich ins Ausland abzusetzen. 2001 begann mit der Spende der beiden Aubis-Manager an den CDU-Fraktionschef und Banker Klaus Landowsky der größte Finanzskandal der Berliner Nachkriegsgeschichte. Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern gemeinschaftlichen Betrug und Betrugsversuch vor. Sie glaubt, Wienhold und Neuling einen bisher entstandenen Schaden in Höhe von 918 000 Euro nachweisen zu können.

Es sind die einzigen Anklagen, die bislang im Komplex Bankgesellschaft erhoben wurden. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft noch in rund 70 Fällen, darunter wegen des Verdachts der Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung, Untreue und Anlagebetrugs. Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) hat wiederholt Vorwürfe zurückgewiesen, die Ermittlungen gingen nicht zügig voran. Erst im Sommer 2002 sei die Ermittlungsgruppe personell erheblich verstärkt worden. Derzeit arbeiten an dem Komplex elf Staatsanwälte und sieben Wirtschaftsreferenten.

Fragt sich, wie eventuelle Erfolge der Staatsanwaltschaft umgesetzt werden können, wenn das Landgericht bereits die ersten beiden Anklagen in die Warteschleife schicken musste. „Wenn für die Ermittlungen extra Ressourcen freigesetzt werden, muss auch die Umsetzung der Verfahren gewährleistet sein“, sagt Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher. Und da hilft laut Ex-Justizsenator Wieland nur eines: „Es müssen endlich mehr Wirtschaftsstrafkammern aufgemacht werden.“ Auch Braun fordert eine „Umorganisation beim Landgericht“, doch Oberstaatsanwalt Brocher gibt zu bedenken, dass die Engpässe dann vermutlich lediglich auf andere Kammern verlagert würden. „Wir haben bereits bestimmte Erfolge im Verteilungskampf erzielt“, sagt der Ankläger. Zum Jahresanfang sei die Zahl der Wirtschaftskammern von „dreieinviertel auf vier“ erhöht worden. Das klingt nicht viel, bedeutet aber praktisch: Es kann im Landgericht rund 60 Tage zusätzlich verhandelt werden.

Bei der Senatsverwaltung für Justiz kommentiert man den verschobenen Prozessauftakt gegen Klaus Wienhold und Christian Neuling nur knapp. „Die Terminplanung ist allein Sache des Präsidiums des Landgerichts“, sagt Staatssekretär Christoph Flügge. Da verbiete sich jeder Kommentar von politischer Seite.

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