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© ZDF

Aktenzeichen XY: Poker-Raub: Flimmernde Spur

Fünf Tage nach dem Überfall auf ein Pokerturnier in Berlin hat die Polizei noch keine heiße Spur. Auch die ZDF-Sendung „XY...ungelöst“ hat kaum Hinweise geliefert. Wie sinnvoll sind öffentliche Fahndungen?

Selbst die erfolgreichste Sendung am Mittwochabend im deutschen Fernsehen hat wohl nichts eingebracht. 5,43 Millionen Zuschauer sahen „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ im ZDF. Thema der Sendung war unter anderem der Poker-Coup vom vergangenen Samstag, als Räuber bei einem Überfall auf das Berliner Hotel Hyatt rund 240 000 erbeutet hatten. Ein paar Hinweise seien in der Redaktion eingegangen, aber „nichts Brauchbares“, wie eine Sprecherin sagte. Die Voraussetzungen für den Eingang zielführender Hinweise waren auch nicht günstig: Das ZDF konnte keine Bilder senden, die nicht ohnehin schon öffentlich waren. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Polizei bessere Bilder hat. Die Räuber hatten sich nämlich noch während der Flucht aus dem Hotel die Skimasken vom Gesicht gerissen und waren unvermummt durch die Arkaden am Potsdamer Platz gerannt – vorbei an zahlreichen Überwachungskameras. Die Polizei hat mit der Zurückhaltung der Bilder möglicherweise auf wertvolle Tipps von Passanten verzichtet. Warum eigentlich?

Vor einer Veröffentlichung von Bildmaterial müsste die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung einleiten. Und das ist gar nicht so ohne Weiteres möglich. Die Öffentlichkeitsfahndung ist in Paragraf 131a der Strafprozessordnung normiert. Öffentliche Bilder eines mutmaßlichen Täters sind ein schwerer Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte. Deshalb muss es sich um eine Straftat von erheblicher Schwere handeln. Diese Voraussetzung liege wahrscheinlich sogar vor, sagt Konrad Freiberg. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei hält taktische Gründe für die Zurückhaltung der Fahndungsbilder für wahrscheinlicher. „Möglicherweise weiß die Polizei schon, um wen es sich handelt, aber man will die Täter nicht verschrecken und mit einer Öffentlichkeitsfahndung aus dem Land jagen“, sagt er. Auch dürfe dieses Mittel nicht inflationär eingesetzt werden. „Wenn jeden Abend 20 Verbrecherfotos in der Tagesschau laufen würden, dann ließe die Aufmerksamkeit der Bürger schnell nach.“ Bisher hätten öffentliche Fahndungen allerdings schon häufig entscheidende Hinweise zur Ergreifung von Tätern erbracht.

Bei „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ wurden bisher 42 Prozent aller gezeigten Verbrechen aufgeklärt. Häufig geben Zuschauer den entscheidenden Hinweis. Es habe sogar schon Fälle gegeben, bei denen sich der Täter nach der Ausstrahlung selbst gestellt habe, sagt Rudi Cerne, Moderator der Sendung. Vielleicht stellen sich die Poker-Räuber ja auch. Gewerkschaftschef Freiberg jedenfalls empfiehlt es ihnen: „Das gibt ein paar Jahre weniger Knast.“ Außerdem: Wenn in der Unterwelt erst einmal bekannt werde, wer die 240 000 Euro erbeutet hat, könne es für die Räuber „ziemlich ungemütlich“ werden, glaubt Freiberg. Der Dilettantismus der Täter bei dem Überfall lasse nicht gerade auf verschwiegene Profis schließen.

Die Polizei geht weiterhin davon aus, dass die Täter schon bald gefasst sein werden. Präsident Dieter Glietsch hatte sich schon am Montag vorgewagt mit der Prognose, die Chancen auf die Ergreifung der Räuber stünden „nicht schlecht“. Am Donnerstag hieß es dann aber erneut, dass es „noch keine heiße Spur“ gebe, wie eine Polizei-Sprecherin sagte. Natürlich kann auch das Verneinen einer Spur Taktik sein. Rainer Wendt gibt zu bedenken, dass die Räuber ja nicht nur gefasst werden müssen, sondern ihnen die Tat schließlich auch gerichtsfest nachzuweisen sei. „Das kann ein paar Tage dauern“, sagt der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Vielleicht beobachte man bereits einen der Gangster und warte lediglich auf ein Zusammentreffen mit dessen Komplizen oder einen weiteren Beweis für die Tat.

Selbst innerhalb der Polizei kennt abgesehen vom ermittelnden Landeskriminalamt kaum jemand den aktuellen Stand der Spuren- und Tätersuche. Wendt hält das für ein Zeichen von Professionalität der Polizeiarbeit. „Da wird offenbar sorgfältig und präzise gearbeitet.“ Ob es sich tatsächlich um gute Arbeit handelt, wird sich aber erst noch zeigen – falls die Täter gefasst werden. Vielleicht schon in den nächsten Tagen. Oder erst in Wochen. „Schnell ist relativ“, sagt Gewerkschafts-Chef Rainer Wendt. „Medien kann es aber in der Regel nie schnell genug gehen.“

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