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Alfred Peter Heger (1947 - 2015)

© privat

Berlin: Alfred Peter Heger (Geb. 1947)

In Namibia repariert er das Auto mit einer Wäscheklammer

Von Julia Prosinger

Es gibt nicht viel, das eigener ist als der Name, den die Eltern für ihr Kind ausgewählt haben. Der im Pass verzeichnet ist. Auf den der Pfarrer das Kind getauft hat.

Alfred Heger ist kaum geboren, da nimmt man ihm den Namen. „Du bist ja ein schwarzer Peter“, lachen die blonden Schleswig-Holsteiner in den Kinderwagen, in dem er dunkelhaarig liegt. Kennt man nicht im winzigen Immenstedt, Kreis Dithmarschen. Zugezogene.

Alfreds Familie war 1945 aus dem Sudetenland hergekommen, die Frauen hatten Häuser und Geschäfte verkauft, während der Vater als Soldat kämpfte, waren mit dem Geld im Schuhabsatz monatelang auf der Flucht.

So wird aus Alfred Peter. Er beschwert sich nicht. Peter in der Grundschule, wo der Vater, aus dem Krieg nachgezogen, unterrichtet. Peter auf dem Bubengymnasium in Hanau. Peter, der als Einziger Hochdeutsch spricht, während die Jungen aus den Dörfern Hessisch babbeln.

Peter, der Klassensprecher. Der so gut zuhört, nie schwafelt, die anderen abschreiben lässt, Sprachen fallen ihm fast so leicht wie das Rechnen. Unter der Bank liest er „Auto, Motor, Sport“, nachts entführen die 15-Jährigen die Wagen der Eltern. Kleine Rennen auf Feldwegen. Was will man mehr? Auf einer Tanzveranstaltung verliebt er sich in Rosemarie. Der Peter, auch für sie.

Die katholischen Eltern des jungen Paares handeln eine Zehn-Punkte-Liste aus, Bedingungen für die Hochzeit. Es ist das Jahr 1969; volljährig ist man erst mit 21. Peter, jetzt bei der Bundeswehr, soll sein Auto abschaffen. Frisst zu viel Geld. Tagsüber studiert er in Darmstadt Maschinenbau, Schwerpunkt: KFZ-Technik. Abends sitzt er im Partykeller mit Freunden auf dem ausrangierten Fahrersitz eines Citroën DS 19. Was will man mehr?

Er fährt Rallyes, schraubt an einem alten NSU, zum Zelten gehts mit einem kantigen Renault R4. Wenn der Wagenheber auf dem Weg zum Nürburgring mal nicht funktioniert, weil das Bodenblech durchgerostet ist, heben die Freunde das Auto hoch, damit Peter repariert, was noch zu reparieren ist.

Als Rosemarie sich bei einem Silvesterbesuch in Berlin vernarrt, zieht Peter mit ihr in die Hauptstadt, sofort. Sie bekommen ein Kind, sie bauen ein Haus. Rallyes fährt Peter keine mehr, manchmal aber, zur Freude der Tochter, lässt er den Wagen mit angezogener Handbremse im Kreis auf dem Eis rutschen. Während einer Reise durch Namibia repariert er das liegengebliebene Auto mit einer Wäscheklammer. Gebrauchtwagen haben bei Hegers ein langes Leben.

Peter wird wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU, Lehrstuhl Fahrzeugtechnik, steckt die Studenten mit seiner Begeisterung an, hilft ihnen, einen eigenen Rennwagen zu bauen, prüft Sicherheitsgurte mit Crashtests.

Promotion? Auslandsjobs? Er muss keinem etwas beweisen. In Peter Hegers Haus befinden sich sechs Kellerräume voll mit Rallyepokalen, alten Motorblöcken, Ersatzreifen, Kabeln, Schrauben, Holzresten. „Kann man noch gebrauchen“, sagt er gern. Zum Beispiel diese einzelnen Topfhenkel aus der DDR. Jahre später kommt die Tochter von einer Party mit einem Ost-Topf heim, die Henkel abgebrochen. „Da habe ich doch was“, freut sich Heger und taucht ab in seinen Keller.

Mit den Abiturfreunden macht er Radtouren an die Saale, an die Elbe. Abends wollen sie die Welt retten, Peters leiser Stimme hören alle zu. Nachts flickt er selbstverständlich alle Platten.

Peter hat sich nie ausgemalt, was passiert, wenn die Rente kommt. Wenn der Tag ohne Vorgaben ist. Er sitzt gern auf der Couch. „Du hast doch früher so gern fotografiert. Mach doch mal einen Kurs“, rät seine Frau. „Ich überleg’s mir“, sagt er und überlegt es sich nicht. Er geht jetzt seltener in den Keller und immer früher ins Bett. „Mach du ruhig, ich habe es gut hier“, sagt er, wenn seine Frau abends ein Theater besucht.

Die 15. Fahrradtour mit den alten Klassenkameraden: Alfred Peter Heger, kurz bevor ihn der Tod überrascht, trinkt einen Schluck Wasser, küsst seine Frau. Was braucht man mehr?

Das Rad fällt nach rechts, der Mann nach links, den Blick auf ein Feld voll Sonnenblumen.

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