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Berlin: Ali Akbar Djamchidi (Geb. 1930)

Mit ein paar Goldmünzen im Jackenfutter und einem Pappkoffer kam er an.

Wenn der Sohn des Ali Akbar Djamchidi sich seinen Medizinprofessoren vorstellte, bekamen die leuchtende Augen: Ob er womöglich verwandt sei mit diesem Japaner, der die berühmte Jam- shidi-Nadel erfunden habe? Ja, antwortete der Student, bei dem Japaner handele es sich um seinen Vater, nur dass der ein Perser sei. Es war wohl die amerikanische Schreibweise seines Nachnamens, die an Sushi denken ließ.

Der Erfinder jener vielfach bewährten Biopsienadel mit der scharf geschliffenen Spitze wurde geboren in der „Stadt der Rosen und Dichter“, wie er seine Heimatstadt Shiraz gern bewarb. Hier wurde auch der Dichter Hafez geboren, dessen Lyrik Ali Akbar hoch verehrte und den er bei jeder passenden Gelegenheit zitierte. Sein Vater war ein Kaufmann, der ein großes, von Obstbäumen und Blumen umgebenes Anwesen besaß, auf dem Ali Akbar mit seinen neun Geschwistern eine glückliche Kindheit verbrachte. Doch das väterliche Geschäft war großen Schwankungen ausgeliefert, häufig kam die Ware aus Europa gar nicht bei ihm an, weil die Schiffe unterwegs versenkt wurden. Akademiker, so dachte der Vater sich, waren den Wettern der Weltpolitik vielleicht nicht ganz so unmittelbar ausgeliefert wie die Händler. Er wünschte, dass seine Söhne studierten.

Ali Akbar stimmte freudig zu. In der Schule hatte er viel von europäischen Heldensagen gehört, und so verkündete er seinen Entschluss, in Deutschland Medizin zu studieren. Die Eltern waren bestürzt. „Du hast zehn Kinder“, versuchte Ali Akbar die weinende Mutter zu trösten, „da kann es doch nicht so schlimm sein, wenn eins fortgeht.“ – „Wer so etwas sagt, ist dumm“, soll sie geantwortet haben. „Jede Blume riecht anders.“

Weil aber Ali Akbars Drängen Richtung Okzident nicht nachlassen wollte, nähte die Mutter ihm schließlich ein paar kleine Goldmünzen in sein Jackenfutter, die sie von ihrem Taschengeld besorgt hatte, rief ihn zu einem Erinnerungsfoto, briet ihm ein letztes Hähnchen als Reiseproviant und geleitete ihn seufzend zum Reisebus nach Teheran.

Mit den Münzen irgendwo im Schulterbereich und einem Pappkoffer in der Hand landete Ali Akbar 1951 in Göttingen, wo er sein Medizinstudium aufnahm. Am Anfang, so erzählte er später, habe er sich sehr nach seiner Heimat zurückgesehnt. Doch sein Wille, sich eine sichere und gute Existenz aufzubauen, wie die Eltern es ihm immer gewünscht hatten, war stärker. Er wechselte nach Berlin und verliebte sich in Gisela, eine junge Ärztin.

Schön sah er aus mit seinem fein geschnittenen Gesicht und den dunklen Augen, die ebenso klug wie verschmitzt dreinblicken konnten. Sie willigte in den Heiratsantrag ein.

„Leicht ist die Liebe im Anfang. Es folgen aber Schwierigkeiten“, wusste schon Hafez, der Dichter. Vielleicht war es die wirklichkeitsfreundliche Einstellung, die die Liebe von Ali und Gisela so groß werden ließ, vielleicht aber waren es auch einfach nur die Datteln und der Tee.

Ali Akbar Djamchidi wurde Assistent bei einem der berühmtesten Operateure Deutschlands, er entwickelte seine Jamshidi-Nadel, er arbeitete als Gesichtschirurg im Krankenhaus Westend, er wurde einer der beliebtesten Hals-Nasen-Ohren-Ärzte West-Berlins. Und er wurde Vater von drei Söhnen. Auch Gisela arbeitete als Ärztin, oft bis tief in die Nacht. All die anstrengenden Jahre hindurch gab es Datteln und Tee. Jeden Tag wenigstens zwanzig Minuten, die das Paar beieinander saß, den heißen Tee schlürfte, die süße Frucht kaute und einander anschaute.

Es war seine Wärme, gepaart mit Gründlichkeit und Sachverstand, die Ali Akbar bei den Patienten und den eigenen Kindern so beliebt machte. Den Iran hat er nur dreimal wieder besucht, es blieben aber die Erinnerungen an die schöne Kindheit in einem Land, „in dem die Menschen das Leben nicht so schwer nehmen“, wie er einmal sagte. Lebenslustig blieb er bis an sein Ende, das ihn ohne jedes Vorzeichen ereilte. Anne Jelena Schulte

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