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Alkohol

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Alkohol: Jeder zweite Jugendliche greift zur Flasche

Allein über Ostern registrierte die Polizei drei Betrunkene unter 18 Jahren – die Innenverwaltung prüft eine Gesetzesverschärfung.

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Laut einer Befragung der Gesundheitsverwaltung trinkt jeder zweite Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahre ein- oder mehrmals im Monat bis zum Rausch. 296 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren mussten 2006 wegen einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden. Auch an den Osterfeiertagen wurde exzessiv getrunken: Zwei Jugendliche, 16 und 17 Jahre alt, wurden Sonntagnacht von der Polizei eingesammelt. Einer wurde mit 1,6 Promille in der Reinickendorfer Straße Am Triftpark gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Der andere torkelte über den Wilhelmsruher Damm, er wurde zu seinen Eltern gefahren. Am Karfreitag war ein 14-jähriges Mädchen am Tegeler Hafen gefunden, sie hatte mit Freunden eine Flasche Wodka getrunken. Im Krankenhaus stellten die Ärzte bei dem Mädchen 1,8 Promille fest.

Auch wenn die drei Fälle sich in Reinickendorf ereigneten: Massiv getrunken wird in allen Bezirken. Die meisten Fälle gab es 2006 in Marzahn-Hellersdorf (40), gefolgt von Pankow und Reinickendorf mit je 31. Die wenigsten wurden in Friedrichshain-Kreuzberg (13) und Tempelhof-Schöneberg (15) gezählt.

Nach Angaben der Gesundheitsverwaltung stieg die Zahl der betrunkenen Kinder 2005 und 2006 deutlich an. So mussten im Jahr 2006 69 Kinder (unter 15 Jahren) und 227 Jugendliche (unter 20) in einer Klinik ihren Rausch ausschlafen. Bei den Kindern waren es 39 Mädchen und 30 Jungen; bei den Jugendlichen hingegen 141 Jungen und 86 Mädchen. Ende des Monats will die Gesundheitsverwaltung, die die Daten seit sieben Jahren erhebt, detaillierte Zahlen für 2007 vorlegen.

Die Polizei hatte nach dem Alkoholtod eines 16-Jährigen vor einem Jahr begonnen, die Fälle betrunkener Kinder statistisch zu erfassen. Demnach wurden von April bis Dezember 663 Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren) mit Vollrausch aufgegriffen.

Gegen den zunehmenden Alkoholmissbrauch kündigte die SPD vor einem Jahr ein Verbot des Flatrate-Trinkens an, bei dem Diskobesucher für ein bestimmtes Eintrittsgeld so viel trinken können wie sie möchten. Zurzeit prüft die Innenverwaltung die rechtlichen Grundlagen. „Wir wollen die Gesetzeslage verschärfen“, sagen die SPD-Jugend- und Gesundheitspolitikerinnen Sandra Scheeres und Stefanie Winde. Doch der Koalitionspartner zieht nicht richtig mit. „Wir stehen dem nicht ablehnend gegenüber. Aber was nützen Verbote, wenn sie nicht kontrolliert werden können“, sagt die Jugendpolitikerin Margrit Barth (Linke). Laut Gesetz dürfen Bier, Sekt und Wein an Jugendliche ab 16 Jahren ausgeschenkt werden, Hochprozentigeres erst an Volljährige. Zuständig für Kontrollen sind die Bezirke und die Polizei. Stichproben aber werden selten durchgeführt, da Personal fehlt.

Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) will die Präventionsprogramme verstärken. 600.000 Euro werden zum Beispiel in das „Netzwerk Frühintervention“, in Wochenendkurse und Ausstiegsbegleitung investiert. 115 000 Euro erhält das Projekt „NachHalt“, das Jugendlichen nach einer Alkoholvergiftung schon im Krankenhaus Hilfen anbietet. Das Abgeordnetenhaus hat jetzt den Senat aufgefordert, bis Ende des Jahres über zusätzliche Maßnahmen gegen Alkoholmissbrauch zu berichten.

Der CDU reichen Ankündigungen nicht aus. „Es fehlt ein Aktionsprogramm“, sagt die CDU-Jugendpolitikerin Emine Demirbüken-Wegner. Sie fordert neben einem Verbot von Flatrate-Parties drastischere Strafen und Bußgelder für Wirte, die sich nicht ans Gesetz halten. „Das muss richtig weh tun.“ Auch der Ausschank und Verkauf von Alkohol sollte von 16 auf 18 Jahre erhöht werden. Die Jugendpolitiker Mirco Dragowski (FDP) und Clara Herrmann (Grüne) dagegen halten nichts von Verboten, sondern fordern mehr Präventionsprojekte: „Bei dem einzelnen Jugendlichen muss angesetzt werden. Schulen müssen als Kooperationspartner gewonnen werden.“

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