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Berlin: "All Nations Festival": Lettland - Pakistan direkt

Fremde Klänge hallen die Perleberger Straße hinunter. Vor dem weitläufig umzäunten Haus Nummer 62 spielen vier Männer in langen schwarzen Samtmänteln, die prächtig mit viel Gold bestickt sind, auf exotischen Instrumenten.

Fremde Klänge hallen die Perleberger Straße hinunter. Vor dem weitläufig umzäunten Haus Nummer 62 spielen vier Männer in langen schwarzen Samtmänteln, die prächtig mit viel Gold bestickt sind, auf exotischen Instrumenten. Einer von ihnen entlockt einem meterlangen Horn so laute Töne, dass gegen 10 Uhr sicher auch der letzte Anwohner wach wurde. "Bei uns in Usbekistan wohnt man weit voneinander entfernt", erklärt der usbekische Botschafter Vladimir Norov die Lautstärke der traditionellen Musik seiner Heimat.

Extra für den gestrigen "Tag der offenen Tür" in hiesigen Botschaften hat er die vier Musiker mit ihren originalen Instrumenten, die auf eine 1000-jährige Tradition zurückgehen, nach Berlin beordert, nur die zarte Tänzerin lebt schon zehn Jahre hier. Ihr Auftritt in der Botschaft von Usbekistan eröffnete gestern das erste "All Nations Festival", zu dem 15 Botschaften und Konsulate ihre Türen von 11 bis 18 Uhr geöffnet hatten.

Und nicht nur das. Bei den Usbeken konnte man im Garten auch orientalische Spezialitäten aus dem Land in der Mitte der Großen Seidenstraße kosten und in einem Basar mit usbekischem Kunsthandwerk versuchen, den Preis der angebotenen golbestickten Täschchen, lackierten, handbemalten Döschen, tönernen Mini-Skulpturen und unglaublich scharfen Krummdolchen zu erfahren. Was sehr schwer gewesen wäre, hätte nicht ein junger usbekischer Student bei der Übersetzung geholfen und sich der eine oder andere Festivalgast an seine Russischkenntnisse erinnert.

Die Hauptattraktion aber war die Botschaft der Republik Usbekistan selbst. "Traumhaft" war gestern das häufigste Besucherwort. Dort ist das aufwendig restaurierte Architekturdenkmal des ehemaligen Ballhauses Tiergarten und der einstigen "Officiers-Speiseanstalt" - als solche wurde das Gebäude 1879 für die Kaserne des 1. Garde-Feld-Artillerie-Regiments erbaut - seit seiner Eröffnung als Botschaft am 3. April eine einzigartige Symbiose zwischen deutschem und usbekischem Design eingegangen. Der kunstvolle Handstuck aus Gips, der die meterhohen Spiegel im Festsaal verkleidet, wurde immer wieder fotografiert. Sich selbst konnte man auch fotografieren und das Konterfei sogar sogleich an die eigene E-Mail-Adresse senden lassen. Dieses Angebot machte T-Mobil, der auch den Shuttle für die Reise durch die Welt nicht in 80 Tagen, sondern in sieben Stunden ermöglichte. Wer sich in einer Botschaft sattgesehen hatte, holte sich seinen Visa-Stempel im Festival-Pass und setzte seine Entdeckungstour fremder Kulturen per Bus fort.

Zum Beispiel nach Nicaragua. In der Joachim-Karnatz-Allee 45 hat das Land der Vulkane und Seen seine noch funkelnagelneue Botschaft in Deutschland gefunden. Dort empfingen mittags lateinamerikanische Rhythmen und die "Grupo Alexa Gutierrez" die Weltenbummmler. "La Gigantona", die tanzende Riesin, und "Pepe Cabezon", der großköpfige Zwerg - so heißen zwei beliebte nicaraguanische Folklorefiguren - stellten sich nachmittags vor. "Wir wissen nicht, worauf wir uns da eingelassen haben", sagte lachend Suyapa Indiana Padilla Tercero - so wohlklingend heißt die Botschafterin des mittelamerikanischen Landes. Dieser stand gestern ihr Mann helfend im Gedränge zur Seite - er heißt wesentlich kürzer nur Peter Schlifke und kommt trotz des fast preußischen Familiennamens aus Wien.

Vor einem dreiviertel Jahr erst hat das Paar geheiratet, seit einem halben Jahr lebt es sich in Berlin ein. Die Botschafterin ist eine Kunstkennerin und -sammlerin - gestern konnte man einiges davon bewundern, vor allem zwei Gemälde Pablo Betetas fielen auf. Beteta - nebenbei Rechtsanwalt für Arbeitsrecht - zeigt in seinen Bildern das Leben der Armen seines Landes und zählt zu den größten Talenten der nationalen Kunstszene. Gestern wurde noch mehr von ihm bewundert - seine 26-jährige Tochter Klara Beteta. Die junge Gesandte präsentierte sich zum "All Nations Festival" in landestypischer Tracht, wie auch ihr noch jüngerer Botschaftskollege Wilhelm Ulloa, der Tombola-Lose zugunsten eines Altersheimes in Nicaragua verkaufte. Wer als 1. Preis eine Rundreise durch Nicaragua gewann, war mittags noch offen.

"Unsere Musiker sind gerade zu Tisch", bedauerte in der Katharinenstraße 9 der litauische Botschaftsrat Algis Misevicus. Gerade war ein Shuttle-Bus von der litauischen Botschaft abgefahren, jetzt wartete man auf den nächsten Schub. Immerhin 200 Berliner hatten sich bis zum Mittag für die baltische Republik interessiert. In der Fotoausstellung von Juozas Polis lernten sie das Ostseeland kennen, und beim Stempeln des Festivalpasses mit der zarten 16-jährigen Egle Vaitkunaite eine seiner Schönheiten. Und dann kam auch schon der nächste Bus - nach Lettland fuhr er weiter und von da aus nach Pakistan. Die Welt war sehr klein gestern. Fortsetzung folgt - vermutlich 2002.

Heidemarie Mazuhn

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