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Früh übt sich. Max Englhard (l.) und Felix Beulke vorm Haupteingang der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität Berlin am Portal Bebelplatz in Mitte. Die beiden Studenten haben schon so einige Rechtsberatungsfälle bei der „Law Clinic“ gelöst.

© Mike Wolff

Alles, was recht ist: Studenten helfen gebührenfrei bei Verbraucher-Problemen

Immer diese Nervereien des Alltags: Verspätete Flüge, missglückte Online-Buchungen, Handyprobleme. Da hilft die „Law Clinic“ der Humboldt-Uni. Jura-Studenten beraten gratis über Verbraucherrechte. Und dabei lernen sie eine Menge.

Es sind diese kleinen Ärgernisse des Alltags. Der gerade gekaufte Computer ist schon wieder defekt, der Laden will davon aber nichts wissen. Oder Verbraucher und Händler sind unterschiedlicher Ansicht über das Kleingedruckte. Oder es gibt einen Streit mit dem Anbieter wegen der Handyrechnung, die Onlineflugbuchung ist schiefgegangen...

Wer solche Probleme mit Internetgeschäften und Formularen hat oder ähnliche Nervereien wegen relativ geringer Summen, für den kommt ein Anwalt oft nicht infrage. Viele Menschen sind nicht rechtsschutzversichert, und für den Juristen ist der Streitwert einfach zu gering. Doch es gibt in verbraucherrechtlichen Fragen dennoch juristischen Rat – dank engagierter Studenten. Seit Oktober vergangenen Jahres bieten Jura-Studierende der „Humboldt Consumer Law Clinic (Verbraucherrechtsklinik)“ von der HU Berlin kostenlose Rechtsberatung. „Die Verbraucherrechtsklinik schlägt die Brücke zwischen Theorie und Praxis“, sagt Professor Reinhard Singer, einer der Gründer der Humboldt Consumer Law Clinic, deren universitäre Ursprünge auf den angelsächsischen Rechtsraum zurückgehen. „Von der Rechtsberatung profitieren Mandanten und Studenten“, sagt Singer, der auch Direktor des Instituts für Anwaltsrecht an der Humboldt-Uni ist. „Die Studenten erhalten praktische Erfahrungen und die Mandanten rechtlichen Rat.“

In Zweierteams kümmern sich die angehenden Juristen um die verbraucherrechtlichen Fälle, die einen Streitwert von 750 Euro nicht überschreiten dürfen. Melden können sich Geringverdiener; Menschen, die sich Rechtsberatung eher nicht leisten können. Bei der Beratung werden die Studenten von Volljuristen betreut. Dabei wird nur eine außergerichtliche Vertretung angeboten, eine Vertretung vor Gericht findet nicht statt. Im Sommersemester besuchen die Studenten jetzt Vorlesungen zu verbraucherrechtlichen Themen und bereiten sich derzeit damit auch auf die praktische Beratung im Wintersemester vor.

Felix Beulke und Max Englhard haben am ersten Jahrgang der Verbraucherrechtsklinik teilgenommen und einen Fall zu Fluggastrechten behandelt. „Wir betreuten 14 Studenten, die nach Hongkong geflogen waren und auf dem Rückflug mehrere Stunden Verspätung hatten. Das Flugunternehmen weigerte sich, eine Entschädigung für die Verspätung zu zahlen.“ Die betroffenen Studenten hatten sich zuerst nur an das Flugunternehmen gewandt, aber nur eine kurze ablehnende Antwort erhalten. Danach schalteten sie die Verbraucherrechtsklinik ein. „Wir mussten erst einmal den genauen Sachverhalt klären und das anschließend rechtlich bewerten“, sagt Beulke. Und dann waren da noch die einzelnen Interessen der Betroffenen unter einen Hut zu bringen. Nach der Prüfung des Falls unterbreiteten die beiden Studenten dem Flugunternehmen ein Vergleichsangebot. Die volle Entschädigung wären laut der Berater 600 Euro pro Person gewesen. Beulke und Englhard forderten mindestens 300 Euro pro Person. Die Airline ließ sich nicht auf das Angebot ein. Da rieten die beiden den Studenten zur Klage – und rechnen mit guten Erfolgschancen.

„Das ist wie im richtigen Leben. Wir können nur Rechtsrat geben. Der Mandant muss dann alleine entscheiden, ob er klagt oder nicht“, sagt Singer. „Durch unsere Beratung erhalten die Mandanten eine Klärung ihrer rechtlichen Situation. Gerade im Verbraucherrecht gibt es ein Informationsgefälle zwischen Kunden und Verkäufer. Das wollen wir ändern“, begründet Englhard seine Teilnahme an der Rechtsberatung. „Die Klinik stärkt den Praxisbezug des Studiums. Sonst sind wir nur Zuschauer. Hier machen wir alles selbst“, erzählt Beulke. Und sie lernen viel dabei. Der Flugrechtefall habe ihnen gezeigt, dass die entsprechende EU-Verordnung zu ungenau sei. So müssten die Fluggesellschaften keine Entschädigung zahlen, wenn „außergewöhnliche Umstände“ an der Verspätung schuld seien. „Die Unternehmen können sich einfach auf diesen Passus zurückziehen, ohne detaillierte Gründe anzugeben“, kritisiert Engelhard. Das Verbraucherrecht müsse hier effektiver werden, ergänzt Law-Clinic-Begründer Reinhard Singer. Das sei auch schon Thema im Bundesrat.

Ein Großteil der eingereichten Fälle bezog sich daher auch auf Flugverspätungen. Dazu kämen viele Fälle zu Handyverträgen und Vertragsabschlüssen im Internet. Bearbeitet wurden die Fälle von insgesamt 16 Studierenden. Dabei haben sich die acht Teams immer wieder getroffen, um die Fälle gemeinsam durchzugehen. „Allerdings haben wir auch schon deutlich zurückhaltender beraten“, sagt Singer. „So beklagte jemand einen nicht wetterfesten Strandkorb.“ Weil der Korb aber recht günstig gewesen sei, hatten die Juristen da von einer Klage abgeraten.

Sebastian Sahm

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