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Berlin: Alles wieder auf Anfang – Haushaltssperre aufgehoben

Finanzminister Markov nimmt umstrittene Entscheidung zurück Das Land hat überraschend mehr Einnahmen als erwartet

Potsdam - Der brandenburgische Finanzminister Helmuth Markov (Linke) hat die Anfang Juni verhängte, wegen des Stillstands bei Investionen und Förderprojekten im ländlichen Raum höchst umstrittene Haushaltssperre wieder aufgehoben. Inzwischen geht er von Mehreinnahmen von 88 Millionen Euro aus. „Das prognostizierte Haushaltsrisiko hat sich derart verringert, dass ich die Sperre guten Gewissens aufheben kann“, sagte Markov. Allerdings verliert das Land in diesem Jahr wegen des Abrechnungsskandals bei der Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA) auch 142 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Dies war vor vier Monaten befürchtet worden – und hatte Markov maßgeblich zur Etatsperre veranlasst.

Aber dank höher als erwartet ausgefallener Steuereinnahmen und der durch die Haushaltssperre erzwungenen Spardisziplin in Ministerien und Landesbetrieben fällt dieser Posten nun nicht mehr ins Gewicht. Das Finanzministerium rechnet inzwischen sogar zum Jahresende mit einem Überschuss von 38 Millionen Euro. Daher gehen die Haushaltsexperten der rot-roten Regierungskoalition davon aus, dass die geplante Schuldenaufnahme von 650 Millionen Euro nicht voll ausgeschöpft werden muss.

Angesichts drastischer Sparpläne für das nächste Jahr bei steigenden Einnahmen gerät Markov nun zusätzlich in Erklärungsnot. Durch Rücklagen, Steuerzuwächse und die verspätet eingehenden Sozialfonds-Millionen könnte das Land über 350 Millionen Euro mehr als bisher geplant verfügen. Spürbare Einschnitte soll es dennoch bei den Investitionen geben. Das Infrastruktur- und Landwirtschaftsministerium von Jörg Vogelsänger (SPD), das Markov bei der Etatsperre auflaufen ließ und das sich heftig gewehrt hatte, darf nächstes Jahr 46 Millionen Euro weniger ausgeben, beim Hochbau sollen 30 Millionen Euro, bei den chronisch unterversorgten Landesstraßen 18 Millionen Euro gestrichen werden. Dabei hatte schon die selbst regierungsintern umstrittene Haushaltssperre wegen blockierter Investitionen heftige Proteste provoziert, die Baubranche sah wegen zahlreicher gestoppter Vorhaben Arbeitsplätze in Gefahr, aus mehreren Landkreisen kamen Brandbriefe wegen lahm gelegter Projekte für ländliche Regionen.

Trotz besserer Finanzlage sehen Regierungskoalitionen von SPD und Linke keinen „Grund zur Entwarnung und Euphorie“. Das Herunterfahren der Neuschulden auf null bis zum Jahr 2014 bleibe ein „ehrgeiziges Ziel“, sagte Linke-Haushaltsexperte Christian Görke. „Wir müssen unsere Ausgaben weiter konsolidieren.“

Die Landtags-Opposition, die den Sinn der Haushaltssperre von Beginn an in Zweifel zog, sieht Markov nun arg beschädigt. CDU-Haushaltsexperte Ludwig Burkardt sprach von einer „längst überfälligen Entscheidung“, für die Sperre habe es nie einen Grund gegeben – weil im Haushalt „deutlich mehr Reserven sind“. Schwankende Einnahmen hätten Markov offenbar so beeindruckt, „dass er panikartig, nur drei Wochen nach dem Haushaltsbeschluss im Landtag, die Sperre verhängt“ hat. „Panik ist aber nicht die richtige Qualifikation für einen Finanzminister“, sagte Burkardt. Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg sprach von einem „Kuriosum in der Parlamentsgeschichte“. Grüne-Fraktionschef erklärte, „Markov hat den Überblick verloren und einen Anfängerfehler begangen. Der wird ihm hoffentlich nicht wieder passieren.“

Tatsächlich gilt die Haushaltssperre inzwischen als die am schlechtesten kommunizierte in der Landesgeschichte. Markov selbst hatte Irritationen und Defizite im Management eingeräumt, weil einzelne Ministerien die Sperre höchst unterschiedlich ausgelegt hatten. Nun rühmt sich Markov, durch sein Vorgehen sei in allen Bereichen der Rotstift angesetzt worden, die Ausgaben um 115 Millionen Euro reduziert worden, gespart worden sei auch bei Neueinstellungen, die Zinslast sei gesenkt worden. Aus Steuern und Finanzausgleich gibt es 118 Millionen mehr als vorhergesagt.

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