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Berlin: Als der Fußball rollen lernte

Unmittelbar nach der WM beginnen die Dreharbeiten: Daniel Brühl spielt Konrad Koch, den Urvater von Löw, Lahm & Co.

Man kann gegen Löws Truppe sagen, was man will, gegen Fußballregel Nr. 62a hat sie nicht verstoßen: „Auf dem Platze darf niemand sich hinlegen oder müßig stehen.“ Ein ehrwürdiges Gesetz, aus einer Zeit, als es bereits einen „Fußball-Kaiser“ gab, nur dachte damals noch niemand an Beckenbauer, den wahren Kaiser, sondern an den echten, Wilhelm I. mit Namen, dessen Titel namensstiftend wurde für einen besonderen Spieler, der nach frühestem Regelwerk Kapitän und Schiedsrichter in einem war. Das war in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als Deutschland fußballerisch noch Wüste war, jedoch mit einem Entwicklungshelfer von missionarischem Eifer: Konrad Koch, Gymnasiallehrer für Griechisch und Latein am Martino-Katharineum zu Braunschweig – der Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte und dessen Leben nun verfilmt wird.

Am Dienstag beginnen an seinem Hauptwirkungsort Braunschweig die Dreharbeiten zu „Der ganz große Traum des Konrad Koch“, mit Burghart Klaußner, Justus von Dohnányi, Kathrin von Steinburg – und Daniel Brühl in der Titelrolle. Ausgerechnet ein Schauspieler, in dessen Herkunft – Vater Deutscher, Mutter Spanierin – sich die aktuelle traurige Lage der deutschen Nationalelf widerspiegelt, spielt damit den Ur-Vater der Fußballnation. Kochs Geschichte hat Verbindungen zu Berlin, wo er studierte, die Story des Films beschränkt sich allerdings auf die Braunschweiger Zeit. Gleichwohl wird das Team um Regie-Debütant Sebastian Grobler Mitte August nach Berlin wechseln, wie Anatol Nitschke berichtet, Geschäftsführer der ausführenden Produktionsfirma Deutschfilm in Berlin, die dabei mit der Berliner Senator Film, der Hamburger Firma Cuckoo Clock und ARD Degeto kooperiert. In Braunschweig habe man keinen verschwiegenen Park für das zunächst heimliche Fussballspiel gefunden, in Potsdam dagegen schon. Und die um 1900 entstandene Turnhalle der Hauptmann-von-Köpenick-Grundschule in Köpenick wird im Film zu der des Braunschweiger Gymnasiums. Sogar Hertha BSC wirkt am Film mit: Anouschka Bernhard, ehemalige Frauenfußball-Nationalspielerin und Leiterin der „Herthinho Fußballschule“, trainiert mit den Kindern, die im Film Kochs Schüler spielen.

Anders als das Vorbild kommt Koch im Film aus England an die Schule, um Sprachunterricht zu erteilen. Er ist ein aus dem Rahmen fallender Mann, schon modisch: Tweedjacke und Spitzbart, und das im damaligen Braunschweig, einer „alles andere als von libertärem Geist geprägten Stadt“, wie Nitschke erzählt. Zunächst scheitert Koch auf allen Ebenen, einer, der seine Eleven nicht prügeln will, macht sich leicht verdächtig, und auch die Schüler ziehen nicht mit – bis Koch einen aus England mitgebrachten Fußball unter sie wirft. Ein magischer Moment, nicht nur auf fußballerischer Ebene. „Wir wollen mehr erzählen als nur einen Fußballfilm, vielmehr eine Geschichte um Aufbruch und Eigeninitiative“, beschreibt es Nitschke. Man könne den historischen Koch als Reformpädagogen ansehen, das wolle man noch „mehr auserzählen“. Natürlich gibt es dabei Widerstand zu überwinden, Kollegium und Schulleitung werden misstrauisch, Repressionen drohen, das Training muss schon bald aus der Turnhalle in einen Park verlegt werden.

Der originale Konrad Koch hatte es nicht ganz so schwer, fand vielmehr in seiner Schule Unterstützung. An dem Gymnasium war er schon als Schüler gewesen, 1868 kehrte er zurück, als Lehrer für Deutsch und alte Sprachen. Doch auch das körperliche Wohlergehen seiner Schüler lag ihm am Herzen. Sie erschienen ihm zu schlapp, daher führte er mit einem Kollegen 1872 für die Sommermonate Schulspiele ein. Der Winter sollte mit Fußball ausgefüllt werden: Im Herbst 1874 warf er während einer Stunde kurzerhand einen Ball in die Runde, den ein Kollege aus England besorgt hatte. Das war die Geburtstunde des Fußballs in Deutschland, für den Koch 1875 gleich noch ein erstes Regelwerk aufstellte. Sich hinlegen oder müßig stehen? Streng verboten!

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