zum Hauptinhalt

Berlin: Als der Soldatenkönig die Nase voll hatte vom Dreck der Stadt Vor 270 Jahren verschärfte Friedrich Wilhelm I. die Berliner „Gassenordnung“:

Wer seinen Müll auf der Straße entsorgte, musste fortan zahlen

Auch, wenn es vielen Berlinern anders vorkommt – Dreck und Unrat auf Straßen und Plätzen sind keine Erscheinung unserer Tage. In den Chroniken der Stadt finden sich viele Klagen über rücksichtslose Zeitgenossen, die ihre Abfälle vor ihrer Tür entsorgen und sich um den Abtransport nicht kümmern. Vor 270 Jahren hatte der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. davon die Nase voll. Er novellierte 1735 die Berliner Gassenordnung von 1707 – denn ihm war der Brauch aufgestoßen, überall in der königlichen Haupt- und Residenzstadt Fäkalien auf die Straße zu kippen. An allen Ecken und Enden stank es, außerdem waren die Gewässer, die Berlin damals reichlicher als heute durchzogen, alles andere als klar.

Der reinlich veranlagte Herrscher, der sich öfter als üblich wusch, verlangte von den Hausbesitzern, dass sie jeden zweiten Tag vor ihren Türen bis zur Straßenmitte kehren. Für den Abtransport des dabei anfallenden Unflats hatten sie ebenfalls zu sorgen. Damals muss einiges zusammengekommen sein, denn viele Hausbesitzer hielten Vieh, besaßen Landwirtschaften und Gärten, deren Rückstände ebenfalls zu beseitigen waren.

Aus den Entsorgungsgebühren wurden so genannte Gassenmeister bezahlt, die die Abfälle an den Rand der Stadt zu transportieren hatten. Wenn heute solche Deponien oder Abfallgruben gefunden und archäologisch untersucht werden, geben sie interessante Informationen über Land und Leute her. Gewicht im wahrsten Sinne des Wortes hatte auch die königliche Weisung, den Inhalt von Nachttöpfen künftig nur nachts und auch nur an bestimmten Stellen in die Spree zu entleeren. Eine Kanalisation, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht.

Da die Berliner offenbar sehr nachlässig waren, wenn es um die Reinlichkeit ihrer Stadt ging, drohte ihnen der König bei Zuwiderhandlungen hohe Geldstrafen an. Die Hälfte der Einnahmen sollte derjenige bekommen, der Missetäter anzeigt, die andere ging an die Stadtverwaltung. Die wiederum bezahlte aus der Summe „gewisse Weiber“, die den heimlich auf die Straßen gekippten Unrat beseitigen mussten – was nichts anderes bedeutet, als dass die königlichen Befehle nicht oder nur nachlässig befolgt wurden.

Helmut Caspar

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false