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Berlin: Als Milchproduzent rekordverdächtig Bringen Bürokraten die Stadtgüter um den Erfolg?

Mit 12 500 Rindern – davon 5900 Kühen, die jährlich 45 Millionen Liter Milch geben – sind die Berliner Stadtgüter der größte Milchproduzent Deutschlands. Großbeeren, eines der acht Güter in Stadtrandnähe, ist sogar Europas größte Milchviehanlage.

Mit 12 500 Rindern – davon 5900 Kühen, die jährlich 45 Millionen Liter Milch geben – sind die Berliner Stadtgüter der größte Milchproduzent Deutschlands. Großbeeren, eines der acht Güter in Stadtrandnähe, ist sogar Europas größte Milchviehanlage. Der gesamte Grundbesitz, den Berlin im Nachbarland Brandenburg sein eigen nennt, beträgt etwa ein Viertel der Stadtfläche. Die Höfe werden bisher konventionell bewirtschaftet; in den Verkaufsverhandlungen mit Agrarinvestoren will der Senat aber versuchen, die teilweise Umstellung auf ökologische Milchproduktion zu erreichen. Ein kleiner Teil der Stadtgüterflächen sind ehemalige Rieselfelder. Die Verwaltung von Waldflächen wurde inzwischen an die Landesforstverwaltung Brandenburg abgegeben. Vor fast 130 Jahren hatten weitsichtige Stadtväter Berlins damit begonnen, außerhalb des Stadtgebiets Grün- und Fortflächen anzukaufen. Damit wurden mehrere Ziele verfolgt: Die Entsorgung der städtischen Fäkalien und Abwässer, die Versorgung der explosionsartig wachsenden jungen Reichshauptstadt mit landwirtschaftlichen Gütern und die Schaffung von Wochenend-Erholungsflächen für die gestressten Berliner. 1935 wurden die Stadtgüter ein Berliner Eigenbetrieb, der nach Gründung der DDR in Volkseigentum überführt wurde. Im Juli 1990 wurde die Rücküberführung der Stadtgutflächen in das Eigentum Berlins eingeleitet. Im Januar 1992 nahm die neue Stadtgüter GmbH ihre Geschäftstätigkeit auf. za

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Kapitalstark, rentabel, so gut wie schuldenfrei – welches öffentliche Unternehmen kann das von sich sagen? Die Berliner Stadtgüter, die seit Neugründung der landeseigenen GmbH im Oktober 1990 etwa 23 000 Hektar Land im benachbarten Brandenburg bewirtschaften und verwalten, haben eine spannende Erfolgsstory geschrieben. 115 Millionen Mark „Miese“ machte die Gesellschaft im ersten Jahr; die 18 heruntergewirtschafteten volkseigenen Landwirtschaftsbetriebe, mit 4000 Beschäftigten personell völlig überbesetzt, waren ein fast hoffnungsloser Fall. Aber in dieser Woche kann Stadtgüter-Chef Démetrè Zavlaris dem Aufsichtsrat eine Bilanz für 2001 vorlegen, die das Unternehmen stabil in der Gewinnzone sieht.

Zavlaris ist stolz wie Bolle, weil er sein radikales Modernisierungskonzept gegen politische und bürokratische Widerstände im Senat und Abgeordnetenhaus erfolgreich durchgesetzt hat. Und jetzt scheint auch sein Plan zur Privatisierung der acht übrig gebliebenen Stadtguthöfe – nördlich und südlich von Berlin – aufzugehen. Die Verhandlungen mit zwei Bieterkonsortien laufen dem Vernehmen nach mit guten Erfolgsaussichten. Ein Vertragsabschluss im Frühherbst scheint möglich. Privatisiert wird übrigens nicht der Großgrundbesitz Berlins im brandenburgischen Umland, sondern nur der Agrarbetrieb. Zu diesem Zweck wurde die Stadtgüter GmbH Anfang 2001 in eine „Liegenschafts-Management GmbH & Grundstücks KG“ (BSGM) und eine Betreibergesellschaft aufgeteilt, die zu 75,1 Prozent zum Verkauf steht. Die Liegenschaften bleiben im Eigentum Berlins und werden an die neuen kommerziellen Nutzer verpachtet.

Der Vorteil dieser Konstruktion: Der Senat gibt die staatlich betriebene Landwirtschaft aus den Händen, behält aber die Kontrolle über seinen Landbesitz im Umland. Ein planungspolitisches Faustpfand, über das keine andere deutsche Großstadt verfügt. Berlin kann als Eigentümer mitreden, wenn es um die Entwicklung von Verkehrs- und Erholungsflächen und wertvollem Bauland im „Speckgürtel“ geht. Für den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Beispiel haben die Stadtgüter 615 Hektar Land zur Verfügung gestellt; davon allein 160 Hektar für die neue Startbahn.

Der Erfolgsgeschichte fehlt aber noch das Happy-End. So gibt es in der Finanzverwaltung des Senats leitende Beamte, die weiterhin der Idee anhängen, die Stadtgüter zu zerschlagen und die Filetgrundstücke dem landeseigenen Liegenschaftsfonds zuzuordnen, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Als klar war, dass sich für solche Pläne keine politische Mehrheit fand, wurden bürokratische Hürden aufgebaut: Die Stadtgüter-Grundstücksgesellschaft muss bis heute ohne rechtsgültigen Wirtschaftsplan 2002 arbeiten; einen Aufsichtsrat für das neue Unternehmen gibt es bisher nicht bzw. es wird versucht, dessen personelle Besetzung zu beeinflussen. Weil es noch kein Aufsichtsgremium gibt, bliebt auch die dringende Frage ungeklärt, wer zum Jahresende neuer Geschäftsführer der BSGM wird.

Denn Zavlaris geht Mitte November in den Ruhestand und die etwa 40 Mitarbeiter werden unruhig, weil sie nicht wissen, ob die Stadtgüter-Liegenschaftsgesellschaft tatsächlich eine Zukunft hat. Trotz hoher Kapitalquote, beträchtlichen Finanzreserven und langfristig stabilen Einnahmeerwartungen. Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte sich immer hinter die Berliner Stadtgüter gestellt, weil er deren strategischen Wert schätzte. Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) äußerte sich bisher nicht öffentlich, hat aber jetzt ein erstes positives Signal gesetzt. Er will, so hört man, seinen Senatskanzleichef André Schmitz zum Aufsichtsratsvorsitzenden der BSGM machen.

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