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Kultursenator Klaus Lederer spricht bei einer Podiumsrunde der Berliner Clubcommission zum Thema "Musik und Clubkultur" im Gretchen.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

Alte Münze in Berlin-Mitte: Lederer: Kein "House of Jazz" am Molkenmarkt

Der Bund hatte Millionen für die Sanierung der Alten Münze bereitgestellt. Doch Berlins neuer Kultursenator hat andere Pläne und will kein "House of Jazz".

Von Laura Hofmann

Der Abend beginnt mit einer Anekdote. Klaus Lederer (Linke), mittlerweile Berlins Kultursenator, habe 2009 dazu beigetragen, dass das von Nachtclubs gefürchtete Nichtraucherschutzgesetz an deren Bedürfnisse „angepasst“ wurde, erzählt Sascha Disselkamp, Vorstandsmitglied der Berliner Clubcommission. Vielleicht sitzt der bekennende Clubgänger Lederer auch deshalb an diesem Abend im Kreuzberger Club „Gretchen“ bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz des Lobbyverbands.

Auch die Chefin des beim Senat angesiedelten Musicboards, Katja Lucker, ist da. Vor Clubbetreibern, Kulturschaffenden, Politikern und Journalisten diskutieren sie, wie die Berliner Clubszene sich in Zeiten von Immobilienboom und Gentrifizierung entwickeln kann. „Das Problem heißt Kapitalismus“, sagt Lederer und wird dafür vom Publikum mit Applaus belohnt. Kieze, die einst durch ihr Nachtleben attraktiv wurden, seien heute ausverkauft und aus clubkultureller Sicht ausgestorben.

„Wohnraum ist genauso wichtig“

„Wir werden um jeden Freiraum kämpfen müssen“, schwört er die Zuschauer ein. Alleine könne er das nicht, denn gegen Investoren, die große Flächen der Stadt erworben haben, könne auch die Politik nur schwer etwas ausrichten: „Da tritt jetzt David gegen Goliath an“. Allerdings sagt Lederer auch: „Wohnraum ist genauso wichtig“. Im Koalitionsvertrag taucht das Thema Nachtleben einige Male auf. Bauplanung, Investoren und Clubkultur sollen „noch stärker Hand in Hand arbeiten“. Dass das überhaupt schon geschehe, wird von der Betreiberin des Gretchen, Pamela Schobeß, angezweifelt. Lederer argumentiert mit der erfolgreichen Rettung des „Schokoladen“ in Mitte dagegen. Auch für mehr freie Open-Air-Partys wolle er sich starkmachen, versichert er. Und notfalls auch gemeinsam mit dem Betreiber des Clubs Tresor nach Stockholm fahren, um dort mit dem Vermieter des stillgelegten Heizkraftwerks in der Köpenicker Straße, nämlich Vattenfall, zu sprechen.

Und dann gibt's noch eine Überraschung: Kultursenator Klaus Lederer (Linke) will das Millionengeschenk des Bundes für die Sanierung der Alten Münze in Berlin-Mitte nicht – und somit kein „House of Jazz“ am Molkenmarkt. Lederer sagt: „Wir werden das Geschenk wahrscheinlich nicht annehmen“. Im Haushaltsausschuss des Bundestages wurden im November überraschend 12,5 Millionen Euro für die Sanierung der Alten Münze bereitgestellt.

Hintergrund sind die Pläne des ehemaligen Kulturstaatssekretärs Tim Renner, dort ein „House of Jazz“ entstehen zu lassen. Der Musiker Till Brönner wollte einen Ort etablieren, an dem Stars der Jazz-Szene für Konzerte zusammenkommen, und talentierte Musiker in einer Akademie gefördert werden. Lederer sagte am Montag, stattdessen solle ein Konzeptverfahren über die Nutzung der Alten Münze entscheiden.

Manager von Till Brönner überrascht

Der Manager von Till Brönner, Pino Brönner, reagierte am Dienstagvormittag überrascht auf die Aussage Lederers. Man versuche seit Wochen, den Kultursenator zu erreichen, um mit ihm über das "House of Jazz" zu sprechen, habe sich nicht einmal zusammen an den Tisch gesetzt. Jetzt aus der Presse von einer Absage an die Pläne Brönners zu erfahren, sei verwunderlich.

Lederer hat auch eine Vision dafür, wie Veranstaltungen wie der Karneval der Kulturen mehr Planungssicherheit bekommen können. Er möchte, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, einen ressortübergreifenden „Festivalfonds“ einrichten. „Das fände ich ziemlich toll“, so Lederer. Der Fonds könne aus Mitteln der City-Tax zum Beispiel auch der Art Week mehr Planungssicherheit geben. Katja Lucker vom Musicboard ruft dazu auf, den Blick nicht nur in die glorreiche Vergangenheit der Berliner Clubkultur zu richten, sondern auch in die Zukunft. Man müsse sich fragen: Wie soll Berlin sein – und wie auf gar keinen Fall. Und es ist ihr wichtig, bei der Kreativwirtschaft nicht nur auf die Ökonomisierung zu gucken. „So funktioniert eine coole Stadt nicht.“

Dass er einmal mit dem Kultursenator über Berlins Clubs sprechen würde – das hätte er vor 20 Jahren nicht für möglich gehalten, sagt Sascha Disselkamp am Ende. Aber mittlerweile ist schließlich auch das Berghain zur Hochkultur erklärt worden.

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