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Alternativer Berlin-Guide: Mit dem Handy auf Street-Art-Safari

Seit kurzem macht ein interaktiver Stadtführer auf Berliner Straßenkunst aufmerksam. Wer den Touren auf seinem Handy folgt, findet rebellische Kunst auch in Kreuzberger Hinterhöfen.

Miss Van ist ein Magnet. Die Comic-Lady mit Hasenohren und Strapsen lockt Touristen seit Jahren in einen Hof der Rosenthaler Straße in Mitte, wo noch andere Graffiti-Künstler ihre Spuren hinterlassen haben. Orte wie diese haben Berlin zu einem der europäischen Zentren der Street Art oder Urban Art gemacht. Bildbände, Internet-Blogs und Ausstellungen widmen sich dem Phänomen.

Seit kurzem macht auch ein elektronischer Stadtführer auf die gesellschaftskritische Kunst aufmerksam. Der kostenlose „Urban Art Guide“ will Besitzern von iPhone-Handys den Weg zu Kunstwerken weisen, die sich „in Hausfluren, Hinterhöfen, hinter Zäunen oder an entlegenen Orten verstecken“. Alternativ können Internet-Nutzer die Galerie auch am heimischen Computer betrachten. Aldona Kwiatkowski, Redakteurin in dem sechsköpfigen Team, bezeichnet sich als Urban-Art-Fan und betont den Mitmach-Gedanken des Projekts: „Der Guide zeigt vor allem Ortsfremden die Richtung, doch die Werke müssen selbst entdeckt werden.“ Neben einer Stadtplan-Ansicht aller Bilder werden auch Touren zu „Hotspots“ in Friedrichshain, Kreuzberg und Mitte vorgeschlagen.

Nutzer sollen Fotos hochladen

Die Redaktion setzt auf das Interesse von Nutzern, die neue Fotos zur Sammlung beisteuern können - vorausgesetzt diese gefallen den Machern der Galerie. Übermalte oder abgerissene Werke der schnelllebigen Kunst wollen Kwiatkowski und ihre Kollegen sorgfältig dokumentieren und in die Kategorie „Lost“ verschieben, eine Art Friedhof der Berliner Straßenkunst. Bei Erfolg wird das Projekt auch auf andere Städte ausgeweitet, so ihr Plan. Auch andere Handymodelle sollen dann die Anwendung darstellen können.

Einer der verzeichneten Orte ist das unbebaute Gelände an der Cuvrystraße Ecke Schlesische Straße in Kreuzberg. Schon von weitem grüßen die riesigen Figuren des italienischen Künstlers Blu von der Brandwand der angrenzenden Häuser, doch den Platz können Besucher außerhalb der seltenen Flohmärkte nur durch eine Lücke im Zaun betreten.

Kritik von Künstlern

Obwohl man sich über Aufmerksamkeit für Street Art freut, sind die Reaktionen aus der Urban-Art-Szene eher negativ: Künstler Alias, dessen Motive oft fotografiert werden, hält den Guide für überflüssig. "Street Art sollte man selbst entdecken, oder eben auch nicht", meint er. Besonders ärgern ihn Bildbeschreibungen, die Deutungen vorgeben, wo doch der Sinn seiner Arbeit darin läge, Menschen zum Nachdenken zu bringen. Szene-Blogs kritisieren das Sponsoring durch einen großen Sportartikelhersteller. Nicht zum ersten Mal wolle so eine Konzern die rebellische Aura von Straßenkunst als Marketingkanal nutzen, heißt es auf rebelart.net. In dieser Manier wirbt seit kurzem auch eine an Häuserwände geklebte Hitlerfigur mit einer Brezel statt Hakenkreuz für ein Musical im Admiralspalast.

Der Blogger und Street-Art-Fotograf Just nennt die iPhone-Entdeckungsreisen schlicht „Kaffeefahrten“. Nomad, ein Veteran der Berliner Szene, hat dagegen Grund sich zu freuen. Ihm wurde anlässlich des Starts der Galerie die Fassade eines Clubs in Mitte zum Bemalen überlassen.

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