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Alternatives Wohnprojekt: Wohnprojekt Yorckstraße 59 geräumt

Die Polizei hat am Morgen im Berliner Stadtteil Kreuzberg das alternative Wohnprojekt Yorckstraße 59 geräumt. Nach Angaben der Beamten verlief die Räumung friedlicher als erwartet. Unmittelbar danach wurde das Gebäude zugemauert.

Berlin (06.06.2005, 15:32 Uhr) - Gegen 10.30 Uhr trugen Beamte die letzten von rund 150 Bewohnern und Unterstützern heraus. Kurz vor 5.00 Uhr hatte der Einsatz begonnen. Ein Polizeisprecher sagte, die vom Eigentümer gerichtlich erwirkte Räumung sei friedlich verlaufen.

Die Bewohner hatten zu gewaltlosem Widerstand aufgerufen. Vom Bezirksamt angebotene Ersatzhäuser hatten sie mit der Begründung abgelehnt, die Kosten seien in der vorgegebenen Frist nicht kalkulierbar. Scharfe Kritik an der Räumung kam von Bündnis 90/Die Grünen. Der rot-rote Senat habe keine friedliche Lösung gewollt, sagte ihr finanzpolitischer Sprecher im Abgeordneten, Jochen Esser.

Das Gebiet war am Montagmorgen von der Polizei weiträumig abgesperrt. Insgesamt waren 500 Beamte im Einsatz. Der Vorplatz des Hauses Nr. 59 glich einem Schlachtfeld: Das Pflaster war aufgerissen, Straßenschilder, Matratzen und Speermüll aufgetürmt. Polizisten führten oder trugen nach und nach die Hausbewohner heraus. In der Luft kreiste ein Hubschrauber. Auch SEK-Beamte mit schwarzen Sturmhauben waren im Einsatz. «Der Schein trügt», sagte sichtlich erleichtert Polizeisprecher Wolfgang Dietz. «Alles ist sehr friedlich abgelaufen, selbst im Haus gab es keinen gewalttätigen Widerstand.»

Ein Polizeibeamter lobte sowohl seine Kollegen als auch die Bewohner: «Man hätte es kaum netter machen können.» Es gab weder Festnahmen noch Verletzte. Die Bilanz der Betroffenen fiel weniger freundlich aus. «Es ist eine Schweinerei; die Yorckstraße war ein sehr wichtiges Projekt im Kietz», sagte ein 44-Jähriger, der apathisch auf dem Boden saß. Auch Jonas (39) kämpfte mit den Tränen: «Ich lebe seit neun Jahren in dem Haus, habe immer Miete gezahlt. Meine jetzt siebenjährige Tochter ist dort geboren.»

In dem Gebäude lebten 60 Menschen, darunter 11 Kinder. Es war auch Domizil für zahlreiche politische und Flüchtlingsinitiativen. Die Bewohner werden nach eigenen Angaben vorerst bei Freunden wohnen. «Es muss schnell eine Lösung gefunden, die Verhandlungen müssen fortgesetzt werden», sagte der Bundestagsabgeordnete der Grünen Hans- Christian Ströbele, der die Aktion beobachtet hatte. «Ich halte diese Räumung für überflüssig und für falsch. Es gab eine reale Chance für eine gütliche Einigung.»

Das Gebäude auf einem früheren Fabrikgelände wird seit 17 Jahren für alternative Projekte genutzt worden. Der jetzige Eigentümer hatte die Miete verdoppelt. Daraufhin zahlten die Nutzer nicht mehr, und es kam zur Räumungsklage. Verhandlungen des Bezirksamtes Friedrichshain- Kreuzberg mit ihnen waren am Sonntag erfolglos abgebrochen worden. Die Bewohner hatten das Angebot abgelehnt, in eines von drei Ersatzhäusern in Friedrichshain zu ziehen.

Unmittelbar nach Beendigung der Räumung begann eine Baufirma im Auftrag des Eigentümers, das Gebäude zuzumauern. Am Montagabend wollten die Hausbewohner und ihre Sympathisanten in unmittelbarer Nähe der Yorckstraße noch einmal demonstrieren. (tso)

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