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Königin Elizabeth II. unterhält sich auf dem Empfang des Senats im Schloss Charlottenburg in Berlin am 24.05.1978 mit Bundeskanzler Helmut Schmidt und mit dem britischen Stadtkommandanten Robert F. Richardson.

© dpa

Altkanzler: Helmut Schmidt und seine delikate Bindung zu Berlin

Politisch fremdelte Helmut Schmidt zeitlebens mit Berlin und seinem Regierungspersonal. Dennoch schenkte er der Stadt den Panda Bao Bao. Auch privat verband ihn manches mit Berlin.

Der Weltenlenker Helmut Schmidt und die oft so provinziell anmutende Hauptstadt – das war eine lange, komplizierte Beziehung. Er schimpfte über das politische Personal Berlins unabhängig von der Parteizugehörigkeit, betrachtete den Rückweg zum Hauptstadtstatus aber als unbestreitbare Selbstverständlichkeit. Er sezierte die wirtschaftlichen Probleme der Stadt mit spitzen Worten, setzte sich aber immer wieder dafür ein, beim Überwinden dieser Probleme zu helfen. Er fand den Schlossneubau unnütz, spendierte dem Zoo aber großherzig den Panda Bao Bao, den er 1979 als Staatsgeschenk erhalten hatte – zum Missfallen Hamburgs, wo man den Bären gern im Tierpark Hagenbeck gesehen hätte.

Die private Verbindung des lebenslangen Hanseaten mit Berlin geht auf das Jahr 1941 zurück. Während eines kurzen Fronturlaubs traf er sich hier mit der Junglehrerin Loki Glaser, die er schon auf der Hamburger Lichtwark-Schule kennengelernt hatte. Als es darum ging, ein Zimmer zu finden, erklärte er sie und sich schon mal zum Ehepaar, ging dann aber doch den konventionellen Weg: Auf einer Bank unter der U-Bahn am Nollendorfplatz gaben sich beide das Eheversprechen. Einige Monate später kehrte er sogar dienstlich nach Berlin zurück – die Eheschließung fand dann aber in der Nähe von Bremen statt.

Vom Krieg aus Berlin vertrieben

Beide wurden schließlich vom Krieg aus der Stadt vertrieben, fanden eine Unterkunft in der Nähe von Bernau. Dort kam im Juni 1944 „Moritzelchen“ zur Welt – und ging wenige Monate später, verstorben an einer Gehirnhautentzündung, während der Vater als Batteriechef an der Westfront eingesetzt war. Erst 40 Jahre später, noch zu DDR-Zeiten, konnten Loki und Helmut das Grab besuchen, Ergebnis einer Vermittlungsaktion, an der auch Herbert Wehner beteiligt war.

Nach dem Krieg machte Schmidt in Hamburg und Bonn Karriere – und fand kaum Zugang zu den Spitzenpolitikern West-Berlins. Willy Brandt war ein starker Konkurrent, Brandts Adlatus Klaus Schütz nicht auf Augenhöhe, und dessen Nachfolger erst recht nicht. Als 1981 ein Ersatz für den glücklosen Dietrich Stobbe gesucht wurde, versuchte Schmidt erfolglos, den Mogadischu-Helden Hans-Jürgen Wischnewski durchzusetzen. Es kam – und ging alsbald wieder – Hans-Jochen Vogel.

Berlin, die Hauptstadt der Arbeitslosigkeit

Dabei blieb es auch. Schmidt wusste selbstverständlich auch als Kanzler um die politische Bedeutung und Sensibilität West-Berlins und ließ an den Bindungen zu den Alliierten so wenig rütteln wie am komplizierten Status überhaupt, aber das schien immer eher Anerkenntnis der Staatsräson als Herzenssache zu sein. Wenn Schmidt später über Berlin als Hauptstadt der deutschen Arbeitslosigkeit und der deutschen Wohlfahrtsempfänger räsonierte und hinzufügte, alles spreche dafür, dass das auch so bleibe – dann ließ sich das als realistische Einschätzung, aber auch als Ohrfeige für Eberhard Diepgen ebenso wie für Klaus Wowereit und seine Leute verstehen.

Die letzten aktiven Jahre verbrachte Schmidt teils in seinem Hamburger „Zeit“-Büro, teils in dem Berliner Büro, das ihm als Ex-Kanzler zustand. An beiden Orten äußerte er sich immer wieder skeptisch über den Zustand Berlins, mahnte immer wieder – ergebnislos – die große Debatte über die Hauptstadt, ihre Aufgaben und die Erwartungen der Bürger an. Das „Bundesschloss“, wie er gelegentlich höhnte, gehörte für ihn nicht dazu: „Fragen Sie doch mal die Menschen in Gelsenkirchen oder in Magdeburg“, sagte er, „was denen daran liegt.“

Im April 2010 hatte Schmidt noch einmal einen großen Auftritt als Laudator zum 90. Geburtstag Richard von Weizsäckers. Als er im Oktober wieder in der Stadt eine Rede hielt, vor dem Japanisch-Deutschen Zentrum, da verpasste er den Tod seiner Frau, die in der folgenden Nacht, am 21. Oktober, in Hamburg starb – letzte Wegmarke einer 69 Jahre währenden Ehe und Schmidts langer, komplizierter Beziehung zur deutschen Hauptstadt.

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