zum Hauptinhalt
WIRECENTER

© Uwe Steinert

Am Dienstag Demo: Studentenproteste: Ausgeschlafen im Hörsaal

Berliner Studenten demonstrieren am heutigen Dienstag gegen Studiengebühren und für freien Zugang zum Masterstudium. Hörsäle an Berliner Universitäten sind weiterhin besetzt.

Studierende, die mit leeren Gesichtern wie Zombies herumlaufen und keine Zeit mehr haben, sich politisch zu engagieren: Dass sich die Dinge an der Freien Universität zum Schlechten entwickeln, glaubt Maxi Roßmöller schon länger bemerkt zu haben. Dabei hat die 23-jährige Studentin der Psychologie es noch vergleichsweise gut: Sie gehört zum letzten Jahrgang, der das Fach an der FU auf Diplom anstatt auf Master studieren kann.

So hat sie noch Zeit für Fachschaftsarbeit, und auch ihr Stundenplan ist nicht so vollgepackt, dass sie müde und angespannt von einer Vorlesung zur nächsten hetzen muss wie angeblich ihre jüngeren Kommilitonen, die alle auf Bachelor- und Master studieren. Dennoch engagiert sich Roßmöller intensiv bei den studentischen Protesten, die in Form von Unibesetzungen mittlerweile nicht nur über 20 Universitäten in Deutschland, sondern auch Hochschulen in Polen, England und den USA erreicht haben.

Vorläufiger Höhepunkt der Proteste ist die heutige bundesweite Streikdemo, zu der sich Tausende Studierende angekündigt haben und die um 11 Uhr am Roten Rathaus beginnt. Auch Studierende der Humboldt-Uni und der Technischen Uni werden teilnehmen, wo ebenfalls Mitte letzter Woche das Audimax und ein Hörsaal besetzt wurden. Gestern folgte ein Hörsaal im Haus Bauwesen an der Beuth Hochschule für Technik in Wedding.

Maxi Roßmöller gehört zum harten Kern der rund 100 Studierenden, die den Hörsaal 1A der FU besetzt haben. Hier stapeln sich in einer Ecke Schlafsäcke, Transparente liegen herum und an den Wänden hängen Regeln zum richtigen Diskutieren – alles wirkt gut organisiert und scheint mit viel Ernst angepackt.

„Beim letzten Bildungsstreik im Sommer wollte man uns nur mit faulen Versprechungen ruhig stellen, das darf dieses Mal nicht passieren“, sagt Roßmöller und drückt zum wiederholten Mal einen Anruf auf ihrem Mobiltelefon weg – es ist viel zu besprechen und zu organisieren, selbst zum Essen kommt sie als Mitglied der „AG Mobilisierung“ kaum.

„Toll und bisher historisch einzigartig ist die Kombination aus großem emotionalen Engagement und der Möglichkeit zur strategischen, vernetzten Planung durch das Internet“, so Roßmöller. Nachts würden manche ihrer Kommilitonen anstatt zu schlafen per Computer mit Studierenden in den USA oder Polen kommunizieren, um sich über Ziele der Proteste und konkrete Aktionen auszutauschen. So etwas hat es Ende der sechziger Jahre, als die FU zu einem der Zentren der damaligen Studentenbewegung wurde, noch nicht gegeben. Das Internet ermöglicht es den Studierenden auch, Menschen außerhalb der Hochschulen zu erreichen und Sympathien für ihre Probleme zu wecken. So sind ein Biobäcker und ein Supermarkt aus Dahlem auf den Protest aufmerksam geworden. Seit einigen Tagen bringen sie nun den Studierenden im Hörsaal 1A in der Silberlaube jene Lebensmittel vorbei, die nicht mehr verkauft werden können.

Die Forderungen der Studierenden der FU, der HU und der TU sind in den Grundzügen identisch: Freier Zugang zum Masterstudium, Überarbeitung der Bologna-Reform, Abschaffung sozialer Schranken durch den Verzicht auf Studiengebühren und mehr Mitbestimmungsrecht in allen Gremien.

„Angesichts der Tatsache, dass die meisten, wenn sie keine tollen Noten haben, nur noch drei Jahre auf Bachelor studieren dürfen und dann doch keinen Job bekommen, muss etwas passieren“, sagt Erik D. von der AG Öffentlichkeitsarbeit an der FU und fügt hinzu: „Und wir sind bereit – natürlich friedlich –, starken Druck auszuüben.“ Auch mehrere Dozenten hätten sich den Studentenprotesten angeschlossen, denn auch sie, „der akademische Mittelbau“, wären von den negativen Veränderungen durch die Bologna-Reform betroffen, sagt Erik D., der Chemie-Student aus Friedrichshain.

Während in der Silberlaube weiter über ein alternatives Bildungsangebot diskutiert wird, treffen sich im HU-Audimax alle zum „Transpi-Workshop“. Hier werden Plakate für die Demo bemalt, auf denen „Schluss mit der Bachelor-Durchprügelei“ oder „Erdrückende Verwertungslogik“ steht. Nur zwei müde Besetzer in Schlafsäcken lassen sich von dem Trubel nicht stören und schlafen einfach weiter.

Noch können sie es: Im Moment sind die Besetzungen von den jeweiligen Hochschulleitungen geduldet, wie lange, weiß niemand. Doch die Studierenden haben ein klares Ziel vor Augen. „Solange man nicht angemessen auf unsere Forderungen reagiert, werden wir die Hörsäle nicht räumen“, sagt eine 19-jährige Studentin der Sozialwissenschaften selbstbewusst.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false