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Berlin: Am Ende ging er doch

Mitarbeiter redeten vergeblich auf ihren Chef ein

Die meisten Mitarbeiter in der Senatswirtschaftsverwaltung waren „ratlos und betrübt“. Allen voran Staatssekretär Volkmar Strauch, den Gysi in einem überraschenden Coup von der Industrie- und Handelskammer in seine Verwaltung geholt hatte. Den ganzen Mittwoch hatten Gysis engste Mitarbeiter versucht, ihren Chef umzustimmen - vergeblich. „Für ihn ist das Problem mit den Flügen größer, als es tatsächlich ist“, sagte Strauch am Abend. Schlimm sei es, wenn jetzt von außen versucht werde, den Rücktritt anders zu interpretieren. Einziger Grund sei die Flugaffäre gewesen – und diese rechtfertige den Rücktritt nicht.

Gysi habe sich nicht vor angeblichen Enthüllungen zu seiner Stasi-Überprüfung fürchten müssen, sagte Strauch. Dabei könne nicht mehr herauskommen, als das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ ohnehin schon berichtet habe, habe eines von Gysis Bonmots gelautet. Falsch sei auch, Gysi Amtsmüdigkeit zu unterstellen. Er sei „bienenfleißig“ gewesen und habe vorgehabt, mit seiner Wirtschaftspolitik noch viel zu bewegen.

Trotz einer begonnenen Umstrukturierung der Verwaltung hätten er und die meisten Mitarbeiter gerne mit Gregor Gysi zusammengearbeitet, sagte Strauch. Dies sei sehr leicht gefallen. Ähnlich äußerten sich auch andere Mitarbeiter, die vom Rücktritt ebenso enttäuscht waren wie der Staatssekretär. Gysi habe als Senator nicht nur zugehört, sondern gezielt den Rat der Mitarbeiter gesucht. Zu wichtigen Besprechungen außerhalb der Verwaltung sei er nicht als „Alleinunterhalter“ erschienen, sondern in Begleitung seiner Fachleute, die intensiv an den Gesprächen beteiligt worden seien.

Völlig überrascht von Gysis Schritt wurde auch die Industrie- und Handelskammer (IHK). Ihr Sprecher Stefan Siebner wollte die Nachricht zunächst gar nicht glauben. Er hielt einen solchen Schritt für ausgeschlossen, denn auch aus Sicht der IHK sind die Bonus-Flüge für keinen Politiker ein Grund zum Rücktritt. Siebner hofft, dass der Nachfolger die von Gysi geholten Staatssekretäre Hildegard-Maria Nickel und Volkmar Strauch behält. Gerade Volkmar Strauch sei für die Berliner Wirtschaft eine Vertrauensperson.

Gysi hatte die von der Koalitionsbildung aus SPD und PDS irritierte Wirtschaft schnell wieder beruhigt. Beim Vorschlag, die Wirtschaftsprofessorin Christa Luft zur Senatorin zu machen, waren die Wirtschaftsvertreter erschrocken. Als klar war, dass die PDS das Amt des Wirtschaftssenators übernehmen werde, hatte die Wirtschaft den besten Mann dafür gefordert, wie ein Vertreter sagte. Und dieser Mann sei nur Gysi gewesen.

Für die PDS werde es schwer, einen Nachfolger zu finden, den die Wirtschaft „halbwegs“ akzeptieren wird, sagte ein Fachmann, der nicht genannt werden will. Gysi sei völlig unideologisch auf die Vertreter der Wirtschaft zugegangen und habe sich mit Argumenten seriös auseinander gesetzt. Und er habe, so Siebner, in der kurzen Amtszeit auch bereits etwas bewegt. Unter Gysi sei die Neuordnung der Wirtschaftsförderung endlich vorangetrieben worden. Für eine Gesamtbeurteilung seiner Leistung sei die Amtszeit aber zu kurz gewesen. kt

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