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Berlin: Am Sonntags-Shopping scheiden sich die Geister

Anhörung im Hauptausschuss: Kirchen sehen Angriff auf die Werte, Verdi befürchtet Nachteile für Beschäftigte und IHK erwartet Standortvorteile

SPD und PDS haben es zwar eilig mit der Verabschiedung des neuen Ladenöffnungsgesetzes, dennoch gab es gestern eine Anhörung von Interessensvertretern im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Schon im Adventsgeschäft soll werktags das Einkaufen rund um die Uhr möglich sein. Nach den Vorstellungen von Rot-Rot sollen zudem an den Adventssonntagen und an bis zu sechs weiteren Sonntagen im Jahr die Geschäfte zwischen 13 und 20 Uhr öffnen können. Zudem können weitere Ausnahmen für den Sonntag beantragt werden. Am kommenden Donnerstag will das Abgeordnetenhaus das Gesetz beschließen, das auch von CDU und FDP unterstützt wird.

Einhellig für die Freigabe der Geschäftszeiten sprachen sich gestern die Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) aus. Gerade kleine und mittlere Geschäfte könnten dann flexibel ihre Geschäftszeiten regeln: „Niemand ist gezwungen zu öffnen.“ Nils Busch-Petersen vom HBB sagte, die Erfahrungen während der WM hätten gezeigt, dass Händler ihre Geschäfte öffnen, wenn Umsätze zu erwarten sind, und das sei in der Regel nicht nach 22 Uhr.

Im Einzelhandel gibt es aber auch Gegner des Gesetzvorhabens. Der Mittelständler Jürgen Winkelmann von der Werbegemeinschaft Tempelhofer Damm, die rund 30 Einzelhändler vertritt, widersprach Brückmann und Busch-Petersen vehement. Die Freigabe der Öffnungszeiten sei „mittelstandsfeindlich und gefährde den Sozialfrieden“. Auch bei den bisher möglichen Sonderöffnungszeiten hätten vor allem die großen Einzelhandelsketten wie die Center-Betreiber profitiert.

Erika Ritter von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht auf die rund 60 000 Beschäftigten im Berliner Einzelhandel erhebliche Verschlechterungen zukommen. Es gebe künftig keinen Schutz vor Nachtarbeit mehr. Sie kritisierte zudem, dass die Arbeitgeber den Manteltarifvertrag gekündigt haben, um künftig nicht mehr die bisherigen Zuschläge für Arbeit am Abend sowie an Sonn- und Feiertagen zahlen zu müssen.

Generalvikar Ronald Rother von der katholischen Kirche sowie Ulrich Seelemann, Konsistorialpräsident der evangelischen Kirche, übten Kritik an der Freigabe der Adventssonntage. „Dies ist ein Angriff auf die Werte der Gesellschaft und die Familie“, sagte Seelemann. Der grundgesetzlich gewährleistete Schutz des Sonntags und der Feiertage werde im Dezember komplett ausgesetzt. Man werde dies verfassungsrechtlich prüfen.

Um die Beschäftigten in der Adventszeit zu entlasten, möchte die PDS-Fraktion eine Regelung, wonach die Mitarbeiter höchstens an zwei Adventssonntagen arbeiten dürfen. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Burgunde Grosse, kann sich vorstellen, diesen PDS-Vorstoß zu unterstützen. Die Fraktion werde das Gesetz in ihrer Sitzung am kommenden Dienstag beraten.

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