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Berlin: Am Stadtrand leben Berliner länger

Senatspapier: Die Zahl der über 65-Jährigen wächst weiter Nur noch gut die Hälfte der Betriebe beschäftigt ältere Arbeitnehmer

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Im Jahr 2020 ist jeder fünfte Deutsche – und jeder neunte Ausländer – in Berlin mindestens 65 Jahre alt. Keine Altersgruppe wächst so schnell wie die Bevölkerung im Rentenalter, unabhängig von der Nationalität. Die Hochburgen der Senioren werden dann Steglitz-Zehlendorf, Reinickendorf und Spandau sein. Zurzeit ist Treptow-Köpenick der Bezirk mit dem höchsten Anteil alter Menschen.

Die jüngsten Regionen der Stadt bleiben auch langfristig Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Das ist kein Zeichen jugendlicher Dynamik, sondern des sozialen Ungleichgewichts in Berlin. In den Außenbezirken geht es vielen Menschen besser, sie haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als die Bevölkerung in den Problemkiezen der Innenstadt. Sie werden im Durchschnitt 1,5 bis 2 Jahre älter. Diese Zahlen stehen in einer Senatsvorlage (Senioren-Leitlinien), die schon 2005 beschlossen, aber öffentlich kaum zur Kenntnis genommen wurde.

So blieb auch verborgen, dass nicht einmal 60 Prozent der Wirtschaftsbetriebe in Berlin noch Mitarbeiter beschäftigen, die über 50 Jahre alt sind. Fast ein Drittel der Arbeitnehmer über 55 Jahre ist arbeitslos. Jeder zweite Beschäftigte in Berlin geht in den Ruhestand, bevor er die gesetzliche Altersgrenze erreicht. „Die eigentliche Herausforderung ist die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen“, heißt es im Senatspapier. Aber auch die Unternehmen, die ältere Menschen beschäftigen, nutzten deren Erfahrung und Leistungspotenziale kaum. Weiterbildungsmaßnahmen würden fast gar nicht mehr angeboten. Altersteilzeit spiele eine untergeordnete Rolle.

Was machen Menschen, wenn sie erst mal im Ruhestand sind? Nach einer Studie der Paritätischen Bundesakademie leistete 2004 jeder vierte Rentner in Berlin ehrenamtliche Arbeit. Damit habe das freiwillige und ehrenamtliche Engagement der Senioren in den vergangenen Jahren kräftig zugenommen. Ein Drittel der älteren Bürger nutzt das Internet. Volkshochschulkurse und Spezialangebote der Hochschulen werden allerdings nur von einer bildungsbewussten Minderheit wahrgenommen. Nur ein Drittel der über 60-jährigen Berliner ist sportlich aktiv. Trotz der 1200 Seniorensportangebote des Landessportbunds – von Gymnastik bis Karate.

Alt werden, ohne Depressionen und Diskriminierung – das ist besonders für die Migranten schwierig. „Vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben wegen starker gesundheitlicher Belastungen, ein hohes Sterblichkeitsrisiko schon im frühen Seniorenalter, geminderte Renteneinkommen, Verständigungsschwierigkeiten und Orientierungsprobleme gegenüber dem deutschen Altenhilfesystem, Rückzug in die eigene ethnische Gruppe“ – dieses Bild zeichnet der Senatsbericht über die Altersprobleme der Zuwanderer in Berlin. Aber auch bei den Deutschen wächst die Zahl der Hilfe- und Pflegebedürftigen, weil sie im Durchschnitt immer älter werden. Ambulante Hilfe ist besonders gefragt: Im statistischen Durchschnitt bezieht ein Berliner erst mit 82 Jahren ein Heim.

Was folgt aus alledem?Neben der klassischen Altenpflege und der Bekämpfung von Altersarmut hat sich der Senat zum Ziel gesetzt, die „Eigeninitiative, Selbsthilfe und bürgerschaftliches Engagement“ von und für Senioren zu fördern. Vor zwei Wochen hat das Abgeordnetenhaus, fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ein Seniorenmitwirkungsgesetz beschlossen, nach langer Diskussion. Verbände und Wohlfahrtsorganisationen haben ordentlich Druck gemacht. Menschenwürdig, selbstbestimmt wohnen im Alter – auch das ist in Berlin ein Problem. Neue Wohnformen, außerhalb von Heimen, sollen getestet werden. Wichtige Themen sind auch: Der Verbraucherschutz, die Werbung für den Seniorensport, die Öffnung der Altenhilfe für die Migranten.

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